Im Super-Wahljahr: rot - radikal - realistisch
Rede von Petra Pau auf der VertreterInnenversammlung Marzahn-Hellersdorf am 14. Januar 2009
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Ich bewerbe mich bei Euch erneut, für DIE LINKE in Marzahn-Hellersdorf das Direktmandat für den kommenden Bundestag zu erringen. Und ich will mit einem Dank beginnen. Einen Dank an alle, die mich in den zurückliegenden Jahren nach Kräften unterstützt haben, in Basisorganisationen, im Bezirksvorstand, im Bezirksamt. Ihr habt mir geholfen, als ich 2002 bis 2005 allein mit Gesine Lötzsch die PDS im Bundestag vertreten habe. Und ohne Euch wäre ich auch nie Vize-Präsidentin des Bundestages geworden. Also noch mal: Herzlichen Dank.
Was ich im Bundestag und im Wahlkreis getan habe, als Abgeordnete, als Mitglied im Fraktionsvorstand und als Vizepräsidentin, darüber waren wir laufend im Gespräch. Das MaHeLi-Interview mit mir vom Dezember liegt hier extra noch mal bereit. Außerdem wurde mein Jahresrückblick 2008 - 12 x 3 - vervielfältigt. Und natürlich bin ich für weitere Fragen und Anregungen immer offen. Deshalb möchte ich jetzt nicht so sehr im Rückblick verharren, sondern mit euch nach vorn schauen.
Der neue Wahlkampf wird in der Tat ein neuer. Glaube bitte niemand, dass DIE LINKE in Marzahn-Hellersdorf ein automatisches Abonnement auf das Direktmandat für den Bundestag habe. Wir müssen unter neuen Bedingungen und mit neuem Engagement darum kämpfen. Und wir müssen gewinnen, weil wir ansonsten viel verlieren. Ich bin dazu bereit, für uns. Und für politische Alternativen zu einer abgewirtschafteten Politik. Denn wo Reiche immer reicher und Arme immer zahlreicher werden, da blühen keine Landschaften, da reifen Krisen.
Mein politisches Angebot für den Bundestags-Wahlkampf sind vor allem drei Themen. Erstens eine linke und soziale Antwort auf die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise. Zweitens mein Engagement gegen den permanenten Abbau von Bürgerrechten und für mehr Demokratie. Und drittens eine Herausforderung, die uns auch hier im Bezirk umtreibt - der Kampf gegen Rechtsextremismus und Rassismus. Zu allen drei Themen werde ich kurz etwas sagen.
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Wir erleben derzeit die weltweit größte Finanz- und Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten. Sie ist kein Ausfluss wilder Börsen-Spekulanten. Die gibt es auch. Aber den Boden dafür hat die vorherrschende Politik bereitet. Sie hat sich selbst kastriert. Sie hat das Kapital entfesselt. Und sie hat das alles auch noch als Reform verkauft. Ich spreche vom Neoliberalismus. Er führt in die Krise. Und deshalb ist das Wichtigste im Kampf gegen die Finanz- und Wirtschaftskrise, dass politisch gründlich umgesteuert wird.
Noch vor Monaten war das übrigens aus nahezu allen Parteien zu hören. Inzwischen verkämpfen sich die CDU/CSU und SPD, aber auch die FDP, wieder bei vielfach sinnlosen Konjunktur-Paketen. Sie haben nichts dazu gelernt und sie machen weiter so, als wäre nichts geschehen. Deshalb müssen wir als LINKE immer wieder deutlich machen: Ohne Politikwechsel wird mit all den Milliarden nur die nächst größere Krise vorbereitet. Ganz so, wie es Karl Marx dereinst prophezeit hatte.
Die Bundestagsfraktion DIE LINKE war gerade in Klausur. Ein Ergebnis unserer Beratungen ist eine Frankfurter Erklärung. Sie umreißt unsere Vorschläge aus der Krise. Wir wollen einen neuen Gesellschaftsvertrag für soziale Gerechtigkeit, Demokratie und Ökologie. Und ich bitte Euch: Vergleicht unsere Angebot mit dem so genannten Krisen-Paket II aus dem Bundeskanzleramt. Ihr werdet merken: Unser Angebot zielt auf die Wurzel des Übels und es ist in sich schlüssig. Also lasst uns dafür werben, im Verein, in der Nachbarschaft, im Freundeskreis.
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Neben dem anhaltenden Sozialabbau erleben wir aber noch einen weiteren Generalangriff, nämlich auf verbriefte Freiheits- und Bürgerrechte. Was unter Schily begonnen wurde, wird unter Schäuble fortgesetzt. Noch nie war das technische Überwachungspotential so groß, wie heute. Und die Begehrlichkeiten wachsen, von Staats wegen und von privat. Und so erleben wir Stück für Stück den Umbau eines demokratisch verfassten Rechtsstaates zu einem präventiven Sicherheitsstaat. Auch das darf DIE LINKE - aus Erfahrung klug - nicht hinnehmen.
Deshalb möchte ich den Diskussionsbeitrag einer Genossin auf einer Hauptversammlung im Herbst aufgreifen. Sie kritisierte damals, dass auf einer Demo gegen den Krieg in Afghanistan nur 5.000 Teilnehmer waren, obwohl es sich doch um ein großes Problem handelte. Auf einer Demo für Datenschutz hingegen waren 50.000, obwohl es dabei doch eher um ein kleineres Problem ginge. Ich stimme dem insofern zu, dass eine Demonstration für Frieden immer mehr Beteiligung verdient.
Aber ich widerspreche grundsätzlich der Auffassung, der Datenschutz sei ein Randproblem. Er ist vielmehr eine ganz zentrale gesellschaftliche Herausforderung. Denn ohne Datenschutz ist Demokratie undenkbar. Das ist die Dimension, um die es aktuell geht. Und spätestens da sollte eine Partei, die einen demokratischen Sozialismus will, sehr hellhörig werden. Ich jedenfalls bin sehr froh, dass sich endlich eine neue Bürgerrechts-Bewegung formiert. Die 50.000 Demo-Teilnehmer belegen: Sie gewinnt an Zuspruch. DIE LINKE gehört dazu und das ist gut so.
Manche von euch waren auf meiner Veranstaltungsreihe Einer trage des anderen Last! Ich hatte Prof. Götz Werner zu Gast, ein Unternehmer und Verfechter für ein bedingungsloses Grundeinkommen. Auch Peter Sodann war mit mir auf dem Podium. Ein linker Schauspieler, der Volkes Stimme Gehör verschafft. Beide kennen sich vermutlich nicht. Aber sie stellten dieselbe Frage: Wie wollen wir morgen leben? Ich bin gerne bereit, die nächste Veranstaltung zum Thema Big Brother im Alltag anzubieten.
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Mein drittes Thema bleibt der Kampf gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus - für Demokratie und Toleranz. Und meine anhaltende Sorge ist: Die Bundespolitik agiert noch immer hilflos und brotlos. Dabei ist Rechtsextremismus weder ein Rand-Problem, noch ein Ost-Problem, noch ein Jugend-Problem. Rechtsextremismus ist bundesweit ein gesellschaftliches Problem. Obendrein ist er längst wieder eine Gefahr für Leib und Leben. Dagegen muss DIE LINKE jederzeit aktiv und bündnisfähig sein. Das ist meine erste Bitte.
Meine zweite: Wir alle sind uns einig, dass die NPD eine ekelhafte und verfassungsfeindliche Partei ist. Aber verkämpfen wir uns bitte nicht in der Frage, ob ein NPD-Verbotsverfahren das Non-plus-Ultra ist. Zumal: So lange das eigentliche Hindernis für ein erfolgreiches Verbotsverfahren nicht beseitigt ist, nämlich die V-Leute, so lange droht auch ein erneutes Verfahren zu scheitern. Das wiederum wäre ein Propaganda-Sieg der NPD. Das will ich nicht und das sollten wir alle nicht wollen.
Vor Wochen marschierten die NPD und rechtsextremistische Kameraden durch Marzahn-Hellersdorf. Es waren rund 500. Wir demonstrierten dagegen. Wir waren knapp 150. Und wir kannten uns alle. Ich finde: Das war kein Ruhmesblatt für DIE LINKE. Nicht Klagen sondern Tun. Das war mein Credo, als ich 1990 für die BVV in Hellersdorf kandidierte und das ist auch heute noch mein Leitsatz. Deshalb ermutige ich alle, die theoretisch gern kritisieren, auch praktisch dabei zu sein.
Die Fraktion DIE LINKE im Bundestag und die Linksfraktion im Abgeordnetenhaus werden am 24. und 25. Februar in Berlin eine Konferenz gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus mit bundesweiter Beteiligung durchführen. Sie ist thematisch breit angelegt, mit kompetenten Partnern aus der Wissenschaft, aus der Politik, von Verbänden und Initiativen, aus der Praxis vor Ort. Ich habe sie angeregt und ich würde sehr gern auch viele von euch dort begrüßen.
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Nun noch drei Gedanken zum Wahlkampf. 2009 ist gespickt mit Jubiläen aus der Geschichte. Bei alledem sollten wir keinen Zweifel haben: Insbesondere die 1989er Daten, die mit dem Ende der DDR zu tun haben, werden alle konkurrierenden Parteien gegen DIE LINKE in Stellung bringen. Ich werbe dafür, sich darauf nicht über Gebühr einzulassen. Denn dahinter steckt natürlich auch der Versuch, von den aktuellen politischen Alternativen der Linken abzulenken. Darauf sollten wir nicht hereinfallen. Wir müssen vielmehr souverän unsere Themen voranstellen.
DIE LINKE ist die Partei der sozialen Gerechtigkeit. DIE LINKE ist eine Friedenspartei. Und DIE LINKE kämpft konsequent für Bürger-, Freiheits- und Menschenrechte - im Bund, im Land, im Bezirk. Das sind unsere Markenzeichen. Dafür müssen wir werben, so dass sich möglichst viele Bürgerinnen und Bürger in Marzahn-Hellersdorf bei alledem wiederfinden und angesprochen fühlen. Das sollten unser gemeinsames Ziel sein, und nicht der eine oder andere parteiinterne Konflikt.
Außerdem: 2009 ist ein Super-Wahljahr. Es wird fünf Landtagswahlen und acht Kommunalwahlen geben. Das EU-Parlament wird neu gewählt und am 27. September der Bundestag. Es ist ein Jahr voller Chancen für DIE LINKE, aber auch voller Risiken. Seit DIE LINKE 2005 mit über 8 Prozent in den Bundestag gewählt wurde, verspüren wir einen Aufwind. Er wehte weiter, als wir in immer mehr Landtage im Westen der Bundesrepublik einzogen. Aber ich warne: Sicherheit kann auch trügerisch sein. Denkt an 2002. Und der Gegenwind wird längst entfacht.
Aktuell komme ich aus dem Wahlkampf in Hessen. Ich werde demnächst auch wieder in Brandenburg, in Thüringen, im Saarland und anderenorts für DIE LINKE unterwegs sein. Aber eines bleibt unbestritten: Ich bin Berlinerin und meine politische Heimat bleibt Marzahn-Hellersdorf. Mit einer intensiven Wahlkreisarbeit habe ich versucht, unsere Bundestags-Fraktion im Wahlkreis zu verankern und unseren Bezirk in den Bundestag zu holen. Das will ich mit euch gemeinsam gern fortsetzen.
Abschließend: Ich habe vor, meinen Wahlkampf erneut unter das Motto Einer trage des anderen Last! zu stellen. Solidarität und Gerechtigkeit bleiben meine persönlichen Botschaften, egal, ob sie politisch, religiös oder ganz einfach menschlich geschöpft werden. Und ich möchte diese Anliegen weiterhin mit so vielen wie möglich umsetzen, gerade auch in unserem Bezirk: mit Hartz-IV-Betroffenen und mit Unternehmern, mit Kultur-Schaffenden und mit Kirchen, mit Jugendlichen und mit Senioren, mit Alt-Marzahnern und mit Neu-Hellersdorfern. Und natürlich mit Euch, liebe Genossinnen und Genossen - rot, radikal, realistisch.
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