„Schalom und Alefbet“

Buchvorstellung, Berlin, Neue Synagoge, 26. Januar 2015
Rede von Petra Pau

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Ich wusste von Dirk Külow seit langem von dem Buchprojekt. Und ich gehöre zu den Privilegierten, die „Schalom und Alefbet“ bereits gelesen haben. Umso mehr freue ich mich, dass diese erinnerungsreiche Geschichte des Jüdischen Gymnasiums Berlin heute für alle Interessierten vorgestellt wird.

Noch mehr freue ich mich, heute und morgen eine Zeitzeugin, eine ehemalige Schülerin dieses Gymnasiums kennen zu lernen.
Herzlich willkommen Inge Weinem.

Gleichwohl will, ja muss ich ein paar aktuelle Gedanken vorwegschicken.

Zuletzt war ich am 14. September vorigen Jahres hier in der Schule. Sie werden sich an den Tag sicher erinnern. Denn danach waren wir am Brandenburger Tor zur Kundgebung „Steh auf! Nie wieder Judenhass!“

Eine knappe Woche später war ich in Kreuzberg dabei. In der Skalitzer Straße feierten Muslime einen Gottesdienst mit anschließender Kundgebung gegen Hass, Gewalt und Unrecht.

Meine Eindrücke nach beiden Veranstaltungen waren dennoch sehr gemischt.

Erstens hätte ich mir gewünscht, dass beide Veranstalter im Vorfeld zueinander gefunden und eine gemeinsame Kundgebung organisiert hätten.

Zweitens waren insgesamt 10.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer nicht gerade ein kraftvolles Signal, schon gar nicht in einer 3,6 Millionen-Metropole.

Ziehe ich davon drittens ab, was die Jüdischen Gemeinden mobilisiert hatten und wer „offiziell“ da war, dann blieb nicht viel von der Mitte der Gesellschaft.

Dies in den Kontext weiterer Entwicklungen gestellt, mach das alles nicht besser:
In Frankreich emigrieren Tausende Jüdinnen und Juden nach Israel.
In der Jüdischen Gemeinde Wien wird immer mehr ungarisch gesprochen.
Und auch hierzulande fühlen sich Juden bedroht, weil sie bedroht werden.

Hinzu kommt noch rassistischer Hohn. Etwa, wenn sich die PEGIDA-Bewegung im Kampf gegen Muslime auf christlich-jüdische Werte beruft.
Mal abgesehen davon, dass alle drei abrahamitische Religionen sind und mithin dieselben Wurzeln haben. Es geht um ein ernstes politisches Problem.

Ich glaube nicht, dass antisemitische Stimmungen zugenommen haben.
Alle Umfragen und Untersuchungen widersprechen dem. Aber sie entladen sich offenbar enthemmter, als vordem Und das macht mir ernste Sorgen.

Nun bin ich nicht hier, um Angst und Bange zu verbreiten, im Gegenteil.
Aber zwei Gedanken zu Pegida seien mir noch gestattet.

Mein erster: Seit Wochen rätseln Politiker, Journalisten und Wissenschaftler, was es mit dieser Bewegung auf sich hat. Einige meinen, man müsse mit ihren Führern in einen Dialog treten. Ich bleibe dabei: Mit verbohrten Rassisten und Antisemiten führt man kein Gespräch, man versperrt ihnen den Weg.

Mein zweiter Gedanke: Zehn Jahre lang, von 2002 bis 2011, hatten Prof. Heitmeyer (Uni Bielefeld) und sein Team „Deutsche Zustände“ untersucht. Ihr Befund: Die gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit nimmt zu, ebenso die Akzeptanz von Gewalt. Das ist mehr als Rassismus, also noch schlimmer.

Heitmeyer & Co. benennen auch Ursachen. Das Soziale wird ökonomisiert, die Demokratie wird entleert. Beides mündet in eine allgemeine Verunsicherung, die falschen Halt und falsche Gegner sucht.

Vielleicht sind das die tieferen Ursachen für den PEGIDA-Zuspruch. Wenn Ja, dann reichen Gegenkundgebungen alleine allerdings nicht. Dann brauchen wir eine andere Politik für mehr Gerechtigkeit und mehr Demokratie.

Zwei Positiv-Nachrichten habe ich dann aber doch noch.

Der gesellschaftliche Widerstand gegen Pegida und andere Idas wächst. Wir erlebe es in Köln, Leipzig, Hannover oder Berlin. Das unterscheidet 2015 vielleicht von 1993 mit Stichworten wie Rostock-Lichtenhagen oder Mölln.

Damals folgte die Bundespolitik den Forderungen des Mobs. Das Asylrecht wurde de facto geschleift. Vorige Woche konstituiere sich endlich die neue unabhängige „Expertenkommission (des Bundestages) gegen Antisemitismus“.

Der einschlägige Beschluss dazu heißt: „Den Kampf gegen Antisemitismus verstärken, jüdisches Leben in Deutschland weiter fördern“. In beidem - gegen Antisemitismus, für jüdische Kultur - können Sie weiter auf mich bauen.

Womit ich wieder beim Jüdischen Gymnasium Berlin wären und bei dem Buch „Schalom und Alefbet“. Natürlich geht es um Geschichte, aber zugleich um heute und morgen - um uns.

Danke für die Einladung!
 

 

 

26.1.2015
www.petra-pau.de

 

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