Schwarzarbeit ist weder nebensächlich, noch revolutionär

Bundestag, 5. März 2004, Tagesordnungspunkt: „Schwarzarbeit“
Rede von Petra Pau

(es gilt das gesprochene Wort)

1.

Im August vorigen Jahres veröffentlichte die „Berliner Zeitung“ eine Umfrage. Demnach sind 68 Prozent der Meinung, Schwarzarbeit ist ein Kavaliersdelikt. Kein Kavaliersdelikt hingegen sei das Klauen einer Zeitung. Jedenfalls meinten das eben so viele.

Nun werbe ich nicht für Zeitungs-Klau. Ich verweise nur auf eine offenbar verbreitete Sicht. Und ich füge hinzu: Die PDS im Bundestag hält Schwarzarbeit weder für nebensächlich, noch für revolutionär.

2.

Gleichwohl wurde ich sehr hellhörig, als Anfang dieses Jahres das Thema „Schwarzarbeit“ Schlagzeilen machte. Da war von der blumen-gießenden Nachbarin die Rede, die sich strafbar mache, und von anderen Lappalien.

Mehr noch: Dadurch wurden Nachbarschafts-Geist und gegenseitige Hilfe kriminalisiert. Für eine SPD, die einst Werte wie Solidarität hoch hielt, war das mehr als peinlich.

3.

Gleichwohl ist das Phänomen „Schwarz-Arbeit“ groß. Es wuchert seit den 70er Jahren. Ihr finanzielles Volumen wird inzwischen auf fast 350 Mrd. € geschätzt.

Das ist vor allem deshalb gravierend, weil dadurch Steuern für den Sozialstaat und Beiträge für die Sozialsysteme verloren gehen. Auf der anderen Seite werden dadurch Tariflöhne unterlaufen und legale Arbeit entwertet.

Das ist der Punkt, warum Schwarz-Arbeit auch ein linkes Thema ist.

4.

Allerdings füge ich hinzu: Auch hier darf nicht gelten: Die Kleinen fängt man und die Großen lässt man laufen. Ein Prinzip, das Unrecht nährt und dennoch zum erlebbaren Alltag der Bundesrepublik Deutschland gehört.

Und auch das vorliegende Gesetz öffnet genau hierfür Tür und Tor. Nehmen wir das Bau-Gewerbe. Jeder weiß: Hauptnutznießer der Schwarzarbeit sind nicht die Arbeiter, sondern die General-Unternehmen.

Die einen versuchen, ihr Schnäppchen, oft unter unsäglichen Bedingungen, zu machen. Die anderen machen den Reibach, ohne dafür ernsthaft belangt zu werden. Die einen werden gejagt, die anderen geschont.

Das schafft Unrecht im Unrecht und muss geändert werden.

5.

Nun ist Schwarz-Arbeit ein weites Feld. Sie grassiert im Baugewerbe. Dazu gehören Milliarden-Umsätze der organisierten Kriminalität. Sie betrifft aber auch niedere Tätigkeiten, die von illegalisierten Ausländern angeboten werden.

Schon deshalb gibt es keinen Königsweg, ihr beizukommen. In der Berliner Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen - ein PDS-Ressort - werden daher drei Strategien gleichzeitig verfolgt:
• Repression gegen alle organisierten Formen der Schwarzarbeit; • Prävention, um künftige Schwarzarbeit zu vermeiden und • Transformation, um illegale Arbeit in legale zu überführen.

6.

Gerade die Transformation verlangt mehr, als Ahndung und Bestrafung. Sie braucht Brücken, statt Wälle.

Das betrifft zum Beispiel viele Menschen, die unter uns leben, aber keine Aufenthalts- oder Arbeitserlaubnis haben. Sie werden regelrecht in die Illegalität und auf den Schwarz-Markt getrieben.

Das ist ein Problem, das mit der EU-Erweiterung wächst. Nicht, weil neue Ost-Europäer ins Land strömen. Sondern weil ohnehin hier lebende Polen oder Tschechen legalisiert werden, ohne zugleich ein Recht auf Arbeit zu haben. Sie werden EU-Bürger 3. Klasse. Das ist ein Unding.

7.

Sie merken, ich spreche auch über das ungelöste Zuwanderungsrecht bzw. ungelöste Probleme der EU-Erweiterung. Womit ich am Beispiel unterstreichen will:
Das Thema „Schwarz-Arbeit“ ist kein Sonderfall für die Polizei oder den Zoll. Es ist ein gesellschaftliches Problem und kann auch nur so verhandelt werden.

8.

Das betrifft übrigens auch die Vergabe-Praxis und die Förder-Politik. Solange der Staat - und öffentliche Auftraggeber gehören dazu - Schwarzarbeit duldet, ist er Mittäter oder Hehler.

Was übrigens auch ein Grund für die Verteidigung eines Tarif-Rechtes ist, bei dem Regeln die Regel sind und die Ausnahmen Ausnahmen bleiben.

9.

Damit komme ich zu einem vorerst letzten Gedanken. Wir sprechen über ein - im Doppelsinn - grenzenloses Phänomen, nicht über ein typisch deutsches. Also bedarf es internationaler Standards.

Wir haben eine EU mit einem umstrittenen Stabilitäts-Pakt. Wir haben aber noch immer keine EU mit einem Sozial-Pakt. Die PDS fordert ihn seit langem, auch heute!
 

[download] Stenographischer Bericht, pdf-Datei

 

 

5.3.2004
www.petra-pau.de

 

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