Es geht um Jugend, Bildung und Zukunft.

Bundestag, 28. Oktober 2004, „Reform Berufsausbildung“
Rede von Petra Pau

1. 

Wir diskutieren über ein Berufs-Bildungs-Reform-Gesetz. Es geht also vor allem um Jugend und Bildung, also um die Zukunft der Gesellschaft insgesamt.
Das Gesetz war überfällig, denn das alte hat 35 Jahre auf dem Deckel. Die Reform war lange versprochen. Und die Versprechen waren anspruchsvoll.
Die PDS im Bundestag begrüßt, dass es nun endlich konkret wird. Und wir bedauern, dass die Reformen nicht weiter gehen, als von Rot-Grün beschrieben.

2. 

Bevor ich über einige Pro und Kontra spreche, komme ich auf einen zentralen Punkt: das duale Ausbildungssystem.
Alle Beteiligten gehen davon aus, dass es eine bewährte Marke Made in Germany ist. Es soll gestärkt werden. So steht es auch im Gesetz-Entwurf.
Praktisch erleben wir seit Jahren eine andere Entwicklung. Immer mehr Betriebe, insbesondere Große, bilden immer weniger aus. Und immer mehr Jugendliche weichen auf schulische Ausbildungsgänge, oft ohne vollwertigen Berufsabschluss, aus, werden in berufsvorbereitende Maßnahmen gedrängt, die für viele nur Warteschleifen sind oder sie werden gar nicht ausgebildet.
Deshalb bleiben wir dabei: Wer das duale System stärken will, muss es vor dem Verfall retten. Auch deshalb waren wir für eine gesetzliche Ausbildungsumlage und nicht für einen fragwürdigen Ausbildungspakt.

3. 

Wenn wir nun den gesetzlichen Rahmen für die Berufsausbildung erneuern, dann natürlich mit klaren Ansprüchen. Wir wollen:

• 

Chancengleichheit für alle Jugendlichen, unabhängig von ihrer Herkunft, Konfession oder sozialen Lage;

• 

eine qualifizierte Grundausbildung, die gute Arbeitschancen und Weiterbildungswege öffnet;

• 

Fachleute, die im Leben bewandert, sozial kompetent und demokratisch engagiert sind;

• 

und Abschlüsse, die in allen Regionen daheim und auch in anderen Ländern anerkannt werden.

Davon sind wir bisher weit entfernt. Der DGB spricht sogar von einer Ausbildungskrise. Er meint damit nicht nur die fehlenden Lehrstellen und die damit fehlende Chancengleichheit für viel zu viele Jugendliche. Er meint auch die inhaltlichen Seiten der Berufsausbildung - zu Recht.

4. 

Das führt zwangsläufig zu der Frage, ob die vorgeschlagenen Reformen gut und weit reichend genug sind, um aus der Krise zu kommen. Die PDS im Bundestag glaubt das nicht und ich will das einem Streit illustrieren, der aus dem Bundesrat kommt.
So reklamieren die Bundesländer mehr Kompetenz für sich und sie wollen zugleich die Koordinierungs-Rechte des Bundes beschneiden. Vielfalt kann gut und förderlich sein. Sie kann aber auch zum babylonischen Sprachgewirr verkommen, das niemand mehr versteht.
Ich will, dass ein Ausbildungsabschluss aus Mecklenburg-Vorpommern auch in Bayern gilt und ein Zeugnis aus Bremen auch sachsen-tauglich ist. Das gehört zur angestrebten Chancengleichheit.
Derselbe Anspruch hat eine internationale Entsprechung. Es ist gut, wenn Ausbildungsabschlüsse wechselseitig anerkannt werden und wenn Jugendliche Teile ihrer Berufsausbildung auch im Ausland absolvieren können. Aber diese Angleichung internationaler Standards darf nicht nach unten erfolgen, sie muss modernen Standards folgen.

5. 

Ausbildungsabschnitte sollen künftig als Module angeboten werden, die sich zur Komplettausbildung summieren. Das kann gut sein. Das kann auch zusätzliche Anreize für Jugendliche schaffen, denen die Ausbildung schwerer fällt, als anderen.
Es darf aber nicht dazu führen, dass Generationen von Teilgebildeten ausgebildet werden, die zwei, drei Module absolviert haben, aber keine Berufsausbildung.
Das berührt auch die praxisnahe Vorbereitung auf die Berufsausbildung. Auch hier wünschen sich die Bildungspolitikerinnen und -Politiker der PDS weitergehende Reformen.
Das betrifft übrigens auch die Gleichbehandlung spezifischer und dennoch beachtlicher Gruppen. Ich nenne nur Jugendliche mit Migrations-Hintergrund oder mit Behinderungen. Der DGB hat den Gesetzentwurf in diesen Fragen als „enttäuschend“ bezeichnend.
Es bleibt also noch viel zu tun. Denn, wie eingangs gesagt: Es geht um Jugend, es geht um Bildung, es geht um Zukunft.
 

[download] Stenographischer Bericht, pdf-Datei

 

 

28.10.2004
www.petra-pau.de

 

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