Nicht neu regeln, sondern abschaffen

Bundestag, 21. Januar 2005, „Lauschangriff“
Rede von Petra Pau

1. 

Auch das Jahr 2004 war für die Bürgerrechte ein verlorenes. Seit 2001 sind sie verstärkt im staatlichen Visier - bei Rot-Grün, bei der CDU/CSU ohnehin. Der Trend zum autoritären Staat ist ungebrochen.
Einer der wenigen Lichtblicke für verbriefte Grundrechte strahlte am 4. März 2004 in Karlsruhe. Das Bundesverfassungsgericht kritisierte wesentliche Teile des so genannten Großen Lauschangriffes. Ich habe das für die PDS im Bundestag ausdrücklich begrüßt.

2. 

Der „große Lauschangriff“ wurde mit den Stimmen der CDU/CSU, der SPD und der Mehrheit der FDP eingeführt. Ich danke Frau Leutheusser-Schnarrenberger und Herrn Burkhart Hirsch, beide FDP, dass sie sich der Mehrheitsmeinung ihrer eigenen Partei nicht anschlossen. Sie klagten stattdessen in Karlsruhe und sie bekamen in wesentlichen Punkten Recht.
Deshalb diskutieren wir heute ein modifiziertes Gesetz zum „Großen Lauschangriff“. Das ist die kleine Lösung. Das Karlsruher Urteil hätte auch eine große Lösung ermöglicht: die Chance zur Umkehr.
Seit Jahren werden immer mehr Bürgerrechte einer vorgeblichen Sicherheit geopfert, der Staat dringt immer tiefer in die Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger ein. Die PDS lehnt das ab, so wie wir 1998 gegen den Großen Lauschangriff und 2001 gegen die so genannten Otto-Pakete waren.

3. 

Trotz Urteil: Es gab und es gibt kein Umdenken. Die tiefer gehende Botschaft des Karlsruher Urteils, den Staat abzurüsten und Bürgerechte zu stärken, sie wird weiter in den Wind geschlagen, auch von den Grünen.
Und natürlich in Bayern: Das Urteil war kaum gesprochen, da forderte Innenminister Beckstein (CSU) mehr statt weniger Überwachung. Beispiel Hamburg: Dort wurde ein neues Polizeirecht installiert, mit dem Bürgerrechte per Gesetz ausgehebelt werden.
Auch im Bundestag werden Grundechte weiter angegriffen. Ich erinnere nur an einen Entwurf aus dem Justizministerium, mit dem das geschützte Berufsgeheimnis für Journalisten und andere Berufsgruppen getilgt werden sollte. Er wurde zurückgezogen, aber sein Geist spukt weiter.

4. 

Das zeigt sich leider auch im vorliegenden Gesetz. Kommentar der Strafverteidigervereinigungen: der „Wille der Bundesregierung zum ‚Großen Lauschangriff' ist ungebrochen“.
Selbst dort, wo das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich gegen das Lauschen und Spähen ist, also in der absoluten Privatsphäre, selbst dort öffnet das vorliegende Gesetz Hintertüren und Einstiegstore. Im Polit-Deutsch nennt man das Verschlimmbessern.

5. 

Zur Bürgerrechts-Kritik kommt die Effizienzfrage. Das Max-Planck-Institut Freiburg hat sie gestellt und kam zu dem Ergebnis: Der „Große Lauschangriff“ nützt wenig. Er schadet aber viel, füge ich hinzu.
Deshalb teilt die PDS im Bundestag den Standpunkt zahlreicher Kritiker: Der „Große Lauschangriff“ ist nicht neu zu regeln, er ist abzuschaffen.
 

[download] Stenographischer Bericht, pdf-Datei

 

 

21.1.2005
www.petra-pau.de

 

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