Gesellschaftlicher Ratschlag gegen Rechts

Bundestag, 18. Februar 2005, „NPD / Demonstrationsrecht“
Rede von Petra Pau

1. 

Es liegen zwei Anträge vor. Beide wurden gestellt, um Aufmärsche der NPD zu verhindern, allemal an symbolträchtigen Orten und Tagen.
SPD und Grüne wollen das Straf- und das Versammlungsrecht ändern. Die PDS wird dem nicht zustimmen. Zum einen, weil die angestrebten Verbote auch mit dem geltenden Recht möglich sind. Zum zweiten, weil die vorgeschlagene Änderungen unnötige Ersatzhandlungen sind.
CDU und CSU wollen den befriedeten Bezirk rund um den Bundestag ausweiten, so dass er das Brandenburger Tor und das Holocaust-Denkmal einschließt. Die PDS wird das ablehnen. Zum einen, weil das eine Zweckentfremdung der so genannten Bannmeile wäre. Zum zweiten weil dann auch andere Demonstrationen vom Bundestag betroffen würden.
Ich will ihnen das nur an einem Beispiel illustrieren: Jahr für Jahr am 18. März gedenken Bürgerrechtler, Schüler, Gäste aus dem In- und Ausland gemeinsam mit Vertretern der CDU, der FDP, der SPD, der Grünen und der PDS der demokratischen Revolution von 1848. Auch diese wichtige Traditionslinie würde gebannt werden. Genau das will die PDS nicht.

2. 

Mein Anliegen ist weiter, es geht tiefer. Es ist zugleich ein Appell an uns alle. Bitte lesen Sie einmal alle Erklärungen aus dem Bundestag der letzten Wochen nach, die sich mit der NPD und dem Rechtsextremismus befassen. Sie werden vor allem wechselseitige Schuldzuweisungen finden und viel Aktionismus. Ich finde, das ist unter der Würde, die der Bundestag für sich beansprucht. Und das ist unter den Ansprüchen, die Bürgerinnen und Bürger an das höchste Parlament im Lande haben.
Mein Befund zum Thema „Rechtsextremismus“ und zu möglichen Ursachen ist komplexer und vielfach belegt. Über 20 Prozent der Bevölkerung sind latent und aktivierbar antisemitisch eingestellt. Hinzu kommt eine Verrohung der Sitten, eine zunehmende Gewaltbereitschaft, nicht nur bei Kindern und Jugendlichen. Große Teile der Bevölkerung fühlen sich sozial verunsichert, nicht nur Arbeitslose. Die allgemeine Bildung bekommt im internationalen Vergleich schlechte Noten. Wir erleben eine zunehmende Politik- und Demokratie-Verdrossenheit, u.s.w..
Es geht also längst nicht mehr nur um die NPD und den rechtsextremen Rand, es geht um die Mitte und um die Substanz der Gesellschaft. Deshalb wiederhole ich meinen Vorschlag: Befördern wir einen gesellschaftlichen Ratschlag gegen Rechts, der Analysen bündelt, Strategien entwickelt, der Demokratie und Zivilcourage stärkt.

3. 

Eine abschließende Bitte: Viele aktuelle Auseinandersetzungen werden mit Blick auf den 8. Mai, den 60. Jahrestag der Befreiung geführt. Richard von Weizsäcker hat als Bundespräsident dazu 1985 eine historische Rede gehalten. Wir sollten - bei allen politischen Differenzen, die wir sonst haben - nicht dahinter zurückfallen.
Ich finde es unerträglich, wenn NPD-Kameraden durchs Brandenburger Tor marschieren. Es ist aber auch nicht hinnehmbar, wenn ein Berliner Bezirksbürgermeister von Amts wegen die Gräuel und Verbrechen des Faschismus relativiert. Gerade in Berlin - wo der Holocaust und der 2. Weltkrieg ausgelöst wurden - sollte mit der Geschichte, mit den Opfern und mit den Lehren besonders sensibel umgegangen werden.
 

[download] Stenographischer Bericht, pdf-Datei

 

 

18.2.2005
www.petra-pau.de

 

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