Gemeinsam Grundrechte stärken

Bundestag, 31. März 2006, Einsetzung eines Untersuchungsausschusses
Rede von Petra Pau

1. 

Wir diskutieren und entscheiden heute über einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss. In den Medien wird er gern als „BND“- Ausschuss gehandelt. Ich finde das falsch, denn das trifft es nicht.
Es geht um die Fragen, ob, und wenn ja, wer im Namen des Kampfes gegen den Terrorismus Menschen- und Bürgerrechte verletzt hat, wer das geduldet hat und wer dafür eine politische Verantwortung trägt?
Deshalb geht die Fraktion DIE LINKE auch nicht in einen BND-Ausschuss, sondern in einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss für Bürger- und Menschenrechte. Jedenfalls ist das meine Intention.

2. 

Es gibt mehr als einen begründeten Anfangsverdacht, der einen solchen Ausschuss rechtfertigt. Nicht ohne Grund befasst sich auch das EU-Parlament mit denselben Fragen. Und ich weiß von meiner EU-Kollegin Sylvia-Yvonne Kaufmann, dass dabei noch viele Fragen offen sind.
Dazu gehören die nach geheimen Aktivitäten der CIA auf europäischem Territorium. Dazu gehören die nach Entführungen europäischer Bürger - auch über deutsche Flughäfen. Und dazu gehören Geständnisse nach Folter, von denen auch deutsche Dienste profitierten.
Der parlamentarische Untersuchungsausschuss des Bundestags wird sich also mit der übergreifenden Frage befassen, ob das Grundgesetz - fahrlässig oder bewusst - außer Kraft gesetzt wurde. Und diese Grundsatz-Frage sollte alle Fraktionen einen und ihnen alle Mühen wert sein.

3. 

Ich sage das auch mit Blick auf aktuelle Einbürgerungs-Debatten. Sie tragen zuweilen absurde Züge. Ich verweise nur auf Fragebögen aus Baden-Württemberg und Hessen. Demnach müssten in Baden-Württemberg der Papst und in Hessen noch mehr Deutsche ausgebürgert werden.
Ich habe mich heute mit einem eigenen Fragebogen eingemischt. Vielleicht hilft diese Karikatur, mehr Sinn in den Unsinn zu bringen. Denn richtig ist: Wenn Migranten Deutsche werden wollen, dann sollen sie deutsch sprechen und dann müssen sie das Grundgesetz respektieren.
Aber was sind solche berechtigten Forderungen wert, wenn ebenso berechtigte Zweifel bestehen, ob die deutsche Politik dasselbe Grundgesetz großzügig außer Kraft setzt, wenn das opportun scheint? Und genau um diese Zweifel geht es im Untersuchungsausschuss.

4. 

Ich habe wohl vernommen, dass Bundeskanzlerin Merkel die USA ob des Gefangenenlagers Guantanamo kritisiert hat. Das hätte der rot-grünen Regierung vordem vielleicht besser zu Gesicht gestanden. Aber jeder muss selbst wissen, von wem er sich die Butter vom Brot nehmen lässt.
Aber so lange im Raum steht oder so lange es als nützlich gilt, die geschundenen Guantanamo- Häftlinge der USA für vermeintlich deutsche Interessen zu gebrauchen, so lange hat auch die Kritik der Bundeskanzlerin einen faden Beigeschmack.
Bundesinnenminister Schäuble hat sinngemäß erklärt: Ohne Informationen, die unter Folter erwirkt wurden, müssten die deutschen Geheimdienste einpacken. Was ja wohl auf schlecht deutsch heißt: Folter gehört zum Geschäft. Und genau das ist verfassungswidrig.

5. 

Wir erleben seit den Terroranschlägen in den USA vom 11. 09. 2001, dass Grund- und Bürgerrechte immer kleiner geschrieben werden. Wer sie dennoch verteidigt, wird als Sicherheitsrisiko abgestempelt. Das ist ein realer und gefährlicher Trend für die Verfasstheit der Bundesrepublik.
Ich habe hier mehrfach dazu und vor allem dagegen gesprochen. Auch die FDP hat es und das habe ich - bei allen gravierenden Differenzen zwischen der LINKEN und der FDP in der Wirtschafts- und Sozialpolitik - immer honoriert. Ich tue es auch heute.
Denn Dank engagierter FDP-Politikerinnen und Politiker, wie Leutheusser-Schnarrenberger oder Hirsch, gibt es auch einschlägige Urteile des Bundesverfassungsgerichtes. Sie setzen Grenzen und es wird höchste Zeit, dass die Regierung das Bundesverfassungsgericht endlich respektiert.

6. 

Nun zurück zum parlamentarischen Untersuchungsausschuss: Ich habe keine Illusionen darüber, was er letztlich klären kann. CDU und SPD haben mehrfach erklärt, was sie alles blockieren wollen. Und sie werden es mit ihrer übergroßen parlamentarischen Mehrheit auch tun.
Ich bin dennoch für diesen parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Eben, weil es mir um Bürger- und Menschenrechte geht. Sie müssen endlich wieder ein Positiv-Thema werden. Dafür kann der Ausschuss einen wichtigen Beitrag leisten. Er kann Zweifel ausräumen und er kann Grundrechte stärken. Das will ich und dazu lade ich als LINKE ein.
 

[download] Antrag, pdf-Datei

[download] Stenographischer Bericht, pdf-Datei

 

 

31.3.2006
www.petra-pau.de

 

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