Aktuelle Notiz: Der falsche Focus auf den BND

von Petra Pau
Allgäu, 4. August 2007

1. 

Seit vorgestern ist publik: Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen 17 Journalisten namhafter Zeitungen. Sie sollen Geheimnisverrat begangen haben. Konkret wird ihnen vorgeworfen, sie hätten aus „eingestuften Unterlagen“ zitiert, die dem so genannten „BND-Ausschuss“ intern vorgelegen hätten. Parallel dazu wird gegen Mitglieder und Mitarbeiter dieses parlamentarischen Untersuchungsausschusses ermittelt. Ebenfalls mit dem Vorwurf, irgendwer hätte Geheimnisse verraten.

2. 

Richtig ist: Die Mitglieder und Mitarbeiter im Untersuchungsausschuss wurden zur Geheimhaltung verpflichtet. Das ist so, ob man das gut oder falsch findet. Aber niemand kann Journalisten zur Geheimhaltung zwingen, ohne die verbriefte Pressefreiheit in Frage zu stellen. Deshalb geht es nicht schlechthin um Ermittlungen gegen 17 Journalistinnen und Journalisten. Ein verbrieftes Grundgesetzes, wichtig für die Demokratie, wird in Frage gestellt und das ausgerechnet aus der Mitte des Bundestages.

3. 

Eine andere Frage ist, wie frei die Presse mit ihrer Freiheit umgeht. Ich habe heute die Ermittlungen abgelehnt. Eine Agentur zitierte mich daraufhin so: „Die Vizechefin der Linksfraktion, Petra Pau, kritisierte, die Ermittlungen dienten der Vertuschung von BND-Aktivitäten.“ Die Meldung begann mit dem Satz: „Ermittlungen gegen Journalisten in Deutschland wegen ihrer Berichterstattung über den U-Ausschuss zum Bundesnachrichtendienst BND haben eine Welle der Kritik ausgelöst.“

4. 

Allein diese beiden Sätze enthalten einen Doppel-Fehler. Es gibt keinen „U-Ausschuss zum Bundesnachrichtendienst BND“. Der 1. Untersuchungs-Ausschuss soll vielmehr aufklären, ob namens des so genannten Anti-Terror-Kampfes auch in Deutschland Bürger- und Freiheitsrechte suspendiert wurden. Und wenn ja, wer dafür die politische Verantwortung trägt. Der BND spielt dabei nur eine Neben-Rolle. Im Focus der Untersuchungen ist vor allem das Bundeskanzleramt.

5. 

Der zweite Fehler betrifft meine aktuelle Erklärung. Ich habe nie kritisiert, die Ermittlungen gegen Journalisten würden dazu dienen, BND-Aktivitäten zu vertuschen. BND-Aktivitäten werden grundsätzlich vertuscht. Das gehört zum Wesen von Geheimdiensten. Ihr Wirken ist das Gegenteil von Transparenz. Sie entziehen sich auch jedweder parlamentarischen Kontrolle, auch im Bundestag. Sie stehen als Fremdkörper der Demokratie daher auf einem ganz anderen Blatt.

6. 

Ich habe viel mehr moniert, dass die aktuelle Journalisten-Jagd von einem viel größeren Skandal ablenken könnte. Die Bundesregierung und das Kanzleramt verweigern dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss nämlich von Anfang an alle Dokumente, die die Bundesregierung und das Kanzleramt selbst betreffen. Das ist der eigentliche Skandal. Denn eigentlich sollte das Parlament die Regierung kontrollieren. De facto aber wird der Bundestag mit Brosamen der Regierung abgespeist.

PS: Etliche der Journalistinnen und Journalisten, gegen die nun ermittelt wird, haben genau dieses Defizit kritisiert. Und sie haben publik gemacht, was die Regierung gern verschwiegen hätte. Sie haben den Ausschuss belebt und mitnichten düpiert. Von wem sie ihre Interna hatten und warum, das ist eine durchaus spannende Frage. Aber keine, die sich gegen die Medien wendet.
 

 

 

4.8.2007
www.petra-pau.de

 

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