Der Trend muss umgekehrt werden

Gewerkschaftstag des Deutschen Beamtenbundes (dbb)
Berlin, 27. November 2007
Rede von Petra Pau

1. 

Zu Beginn meines Grußwortes werde ich etwas Seltenes tun: Ich gebe Bundeskanzlerin Merkel ausnahmsweise Recht. Sie hat sich gestern gegen den Vorschlag ausgesprochen, das Renteneintrittsalter für Beamtinnen und Beamte auf 68 Jahre anzuheben. Das tue ich ausdrücklich auch.
 
Aber ich will auch gleich einen Dissens mit Angela Merkel nachschieben. Die große Koalition hat allgemein die Rente ab 67 Jahre eingeführt. Dann hat sie argumentiert: Was für Arbeiterinnen und Arbeiter zutreffe, das müsse auch für Beamtinnen und Beamte gelten. Das klingt plausibel.
 
Aber das ist nicht meine Logik. DIE LINKE hat gegen die Rente ab 67 gestimmt. Und folglich haben wir sie auch bei Beamtinnen und Beamten abgelehnt. Wir meinen: Mit ständigen Kürzungen schaffen wir weder eine sichere Rente, noch eine Rentenzeit in Würde. Wir brauchen stattdessen ein neues solidarisches Rentensystem - mit allen, für alle.

2. 

Ein zweiter Punkt: Seit Monaten ist vom Aufschwung die Rede. Nur: Allzu viele bekommen davon nichts mit. Ich werde mich nicht zu den konkreten Forderungen äußern, mit denen sie in die Tarif-Auseinandersetzung für die Beamtinnen und Beamten gehen wollen.
 
Aber eines stimmt einfach: Seit dem letzten Tarifvertrag sind vier Jahre ins Land gegangen. Und die brachten für sie mehr Arbeit bei weniger Personal und unter dem Strich für weniger Lohn. Dieser Trend muss umgekehrt werden. Dabei haben sie die Unterstützung der Linksfraktion.
 
Ich will dazu eine weitere Kritik los werden und zwar nicht nur an die Adresse der Regierung. Wir sind im Jahr 18 der deutschen Einheit. Aber noch immer werden Ost-Beamte schlechter gestellt als West-Beamte. Es ist aber widersinnig, wenn sonntags der Fall der Mauer gefeiert wird und werktags noch immer ein Limes durch die Tarifverträge geht.

3. 

Ein dritter Punkt, eine Alternative: Entweder wir wollen einen modernen öffentlichen Dienst, der für die Bürgerinnen und Bürger da ist. Dann darf man die Kosten dafür aber nicht nur als pure Belastung sehen. Dann muss man sie im guten Sinne auch als Investition in die Zukunft begreifen.
 
Oder wir verlagern weitere öffentliche Aufgaben an Privat, mit allen Risiken und Nebenwirkungen, etwa im Sicherheitsbereich oder im Gesundheitswesen. Dann sind große Worte allerdings fehl am Platzt. Ich bin für die erste Variante. Die Praxis spricht leider für die zweite.
 
Bundesweit wurden in den Ämtern 150.000 Stellen gestrichen. Wenn dann aber ein neuer Gammel-Fleisch-Skandal auffliegt oder Fälle von Kindesmisshandlungen, dann ist die Empörung über den öffentlichen Dienst groß. Das passt nicht zusammen. Wer gute Dienstleistungen will, der braucht natürlich auch genügend und motivierte Dienstleistende.

4. 

Damit bin ich bei meinem vierten Punkt und mittendrin in der Dienstrechts-Neuordnung. „Modernisierung kann es nur gemeinsam mit den Beschäftigten geben. Eine formale Beteiligung, in der bereits festgezurrte Ergebnisse bekanntgegeben werden, genügt dafür nicht.“
 
Das war ein Zitat aus der Stellungsnahme des DGB. Ein Lob klingt anders. Auch meine Begegnungen und Erfahrungen sagen: Das Dienstrecht wird noch immer über die Köpfe der Beamtinnen und Beamten hinweg erneuert. Und mir schwant: Das liegt am zuständigen Ministerium.
 
Wir erleben nämlich dasselbe bei der Neuordnung der Bundespolizei. Weder die betroffenen Polizistinnen und Polizisten, noch die zuständigen Parlamentarier werden einbezogen. Zugleich werden Fakten geschaffen. Ich halte das für illegal. Es ist obendrein eine Missachtung der Beschäftigten und des Bundestages. So etwas darf nicht Schule machen.

5. 

Ein abschließender fünfter Punkt: Lange Zeit war von einer leistungs-orientierten Besoldung die Rede. Eckpunkte dafür wurden 2004 zwischen dem damaligen Bundesinnenminister und den Gewerkschaften vereinbart. Wenn ich Bundesinnenminister Schäuble vorhin richtig verstanden habe, dann sind sie nun wieder vom Tisch. Auch darüber sollten wir reden.
 
Geradezu anachronistisch ist, dass die Bundesregierung eingetragene Lebensgemeinschaften von Beamtinnen und Beamten im Dienstrecht nach wie vor schlechter stellen will, als Ehepartner. Da sind Landes-Regierungen schon weiter. Wir sprechen über das 21. Jahrhundert.
 
Kurzum: Der Katalog der Misslichkeiten ist lang und die Herausforderungen für die Gewerkschaften sind groß. Dabei habe ich über die Probleme, die der Föderalismus-Reform I entspringen, noch gar nicht gesprochen. Umso mehr wünschen ich ihrem Gewerkschaftstag namens der Fraktion DIE LINKE weiterhin den nötigen Erfolg.
 

 

 

27.11.2007
www.petra-pau.de

 

Übersicht
Bundestag

 

 

Lesbares

 

Seitenanfang

 

Startseite