Aktuelle Notiz: Urteil gegen „Hartz IV“
von Petra Pau
Berlin, 2. Februar 2010
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Das Bundesverfassungsgericht urteilte heute, dass die „Hartz IV“-Regelsätze, insbesondere für Kinder, die menschliche Würde verletzen und verfassungswidrig sind. So weit, so gut. Noch besser ist und spätestens da beginnt das bundesdeutsche Absurdistan: Politiker aller Parteien begrüßten das Grundsatz-Urteil. Gegen so viel professionelle Vergesslichkeit hilft offenbar auch nichts mehr von „Ratiofarm“.
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Zur Erinnerung: Am 19. 12. 2003 beschloss der Bundestag das „Hartz IV“ genannte Gesetzespaket. Alle Parteien stimmten zu, alle! Bis auf zwei - Abgeordnete. Das waren Gesine Lötzsch und ich. Wir vertraten damals die PDS allein im Bundestag. „Hartz IV“ war von der SPD und den Grünen vorgelegt und von der CDU/CSU sowie der FDP noch verschärft worden. Eine „Jahrhundert-Reform“, jubelten damals die Schöpfer.
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3. |
Monate später gab es bundesweit Massenproteste. „Hartz IV“ sei „Armut per Gesetz“, hieß es landauf, landab. „Wir lassen uns nicht vom Pöbel der Straße unterdrücken“, tönte daraufhin die SPD-Spitze. Andere Politiker erbosten sich heftig: Es sei anmaßend, diese Proteste ausgerechnet montags durchzuführen, quasi als Anspielung an die „Montags-Demos“ zu DDR-Endzeiten. Das sei eine Verhöhnung.
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Grüne Politiker erklärten eilfertig: Von 300 Euro im Monat könne man gut leben, allemal im Osten! Und CDU-Granden beklagten, dass manche „Hartz IV“-Empfänger kaum noch schlechter dastünden, als ehrbare fleißige Arbeitsleut'. Dass auch viele Löhne längst unter „Hartz IV“-Niveau gedrückt worden waren, galt in allen großen Talkshows als deutsche Tugend. Wer dagegen sprach, war ein gefährlicher Populist.
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5. |
Und nun das: Das Verfassungsgericht bescheinigt nahezu allen Parteien, von den Grünen bis zur CSU, dass sie mit ihrer Regierungspolitik eklatant gegen Artikel 1 Grundgesetz - „die Würde des Menschen ist unantastbar“ - verstoßen haben. Keiner von ihnen wagte heute auch nur einen Halbsatz der Entschuldigung bei den Zig-Millionen Betroffenen. Stattdessen lobt man die Weisheit des Gerichts. Einsichtig? Scheinheilig!
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