INTERVIEW DER WOCHE

Soziale Frage: Politische Antworten statt dumpfer Rassismus

2. Mai 2011

Seit dem 1. Mai gilt für sieben osteuropäische Staaten, was für die meisten Länder der EU schon lange gilt: die Freizügigkeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Viele Menschen in Deutschland befürchten, dass jetzt Billig-Arbeitskräfte den deutschen Arbeitsmarkt überschwemmen und die Löhne noch weiter nach unten drücken. Petra Pau erklärt im Gespräch mit Rainer Brandt in unserem Interview der Woche, weshalb Rassismus und Abschottung keine Antworten darauf sind.

Seit dem 1. Mai gilt „Arbeitnehmerfreizügkeit“ für sieben osteuropäische EU-Staaten.

Petra Pau
Prima Fachjargon, der wieder einmal mehr verdeckt als erhellt.

Worum geht es wirklich?

Nunmehr dürfen auch Bürgerinnen und Bürger aus Estland, Lettland, Polen, aus der Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn EU-weit arbeiten.

Stimmt doch: „Freizügigkeit“ für „Arbeitnehmer“.

Richtiger ist: Dieses normale EU-Recht wurde Bürgerinnen und Bürgern aus diesen Ländern sieben Jahre lang vorenthalten. Solange waren sie EU-Länder 2. Klasse, weil EU-Länder 1. Klasse, auch Deutschland, dies so wollten.

Gut, das haben wir jetzt klar. Fakt ist, ab sofort können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, um bei diesem unmarxistischen Begriff zu bleiben, auch aus diesen sieben Ländern bei uns arbeiten.

Stimmt.

Und DIE LINKE ist dafür, warum?

Weil Linke prinzipiell keine Unterscheidung in Menschen 1. und 2. Klasse wollen.

Die wird es aber geben, nur umgekehrt, wenn ausländische Billigarbeitskräfte auf den deutschen Arbeitsmarkt drängen.

Erstens: Die Europäische Union ist ein Binnenmarkt, kein Ausland. Zweitens – und vor allem: Das befürchtete Lohndumping ließe sich sofort unterbinden, wenn hierzulande gesetzliche Mindestlöhne für alle gelten würden, so wie in anderen EU-Staaten auch.

DIE LINKE hat das mehrfach beantragt...

...das haben Gesine Lötzsch und ich schon 2002 im Bundestag gefordert. Dafür wurden wir damals von allen verlacht, auch von der SPD und den Grünen.

Aktuell waren die CDU/CSU und die FDP dagegen.

Ja, und das ist ein doppeltes Spiel mit dem Feuer. Weil sie so soziale Ungerechtigkeit mehren und zugleich rechtsextremen Parteien mit ihren ausländerfeindlichen Parolen in die Hände spielen.

Mit den ausländischen Arbeitskräften droht Rassismus?

Nein, der kommt nicht, der ist längst da und zwar in der Mitte der Gesellschaft. Ich empfehle die Langzeitstudie der Uni Bielefeldt über „Deutsche Zustände“. Einfach mal mit dem Stichwort „Heitmeyer“ googeln.

Es könnte also eine Abwehrhaltung befeuert werden, die ohnehin präsent ist.

Ja und das wäre nicht das erste Mal. Ich erinnere an die ausländerfeindliche Kampagne „Kinder statt Inder“ von Jürgen Rüttgers (CDU) 2000. Oder vordem an die Unterschriften-Aktion von Roland Koch (CDU) gegen eine doppelte Staatsbürgerschaft 1999.

Was ist dabei des Pudels Kern?

Letztlich geht es um eine Ethnisierung der sozialen Frage, bei Nazis offen, bei der Union verdeckter. Klingt wieder kompliziert, ist aber überschaubar. Wir haben eine zunehmende soziale Schieflage. Die Reichen werden immer reicher und die Armen werden immer zahlreicher. Das spürt fast jeder und jede ohnehin.

Also stellt sich die Schuldfrage...

...richtig und da gibt es zwei ganz bequeme Ersatz-Angeklagte: alternativlose Sachzwänge und ungeliebte Ausländer. Das zweite meine ich mit Ethnisierung der sozialen Frage.

Und was empfiehlst Du?

Die Politisierung der sozialen Frage und linke Alternativen.

Interview: Rainer Brandt

linksfraktion.de, 2. Mai 2011

 

 

2.5.2011
www.petra-pau.de

 

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