Vertreibung war primär deutsch

Eröffnung der Ausstellung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) zum „Generalplan Ost“
Warschau, 17. April 2012
Rede von Petra Pau

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Freude ist das falsche Wort. Genugtuung trifft es vielleicht besser. Oder Erleichterung. Ab heute wird die Ausstellung „Wissenschaft, Planung, Vertreibung - Der Generalplan Ost der Nationalsozialisten“ endlich auch hier in Warschau gezeigt.

Ich begrüße das namens des Deutschen Bundestags.

Sie erinnert daran, dass der „Generalplan Ost“ der Nazis für Millionen Menschen in Polen und in weiteren Osteuropäischen Ländern Vertreibung und Tod bedeutete. Er war zugleich Teil des Holocaust, dem Mord an Millionen Jüdinnen und Juden. Auch er betraf Polen besonders.

Diese Ausstellung befasst sich mit einem besonderen Aspekt. Sie erzählt eine verantwortungslose Geschichte in einer furchtbaren Geschichte, exemplarisch für viele andere. Der „Generalplan Ost“ des NS-Regimes wurde von deutschen Wissenschaftlern vorbereitet und bestärkt, akribisch und gründlich.

Rasse-Theoretiker ebneten eine Blutsspur und nicht nur sie. Sie mussten von den Nazis nicht gleichgeschaltet werden. Sie waren zumeist selber Nazis. Und sie wurden dabei von der Deutschen Forschungsgemeinschaft ermutigt und unterstützt. Sie waren eifernd und vorauseilend zu Diensten.

Wie auch die Deutsche Reichsbahn, ohne deren akribisches Räderwerk weder der 2.Weltkrieg, noch der Holocaust denkbar scheint. Oder die IG-Farben und andere deutsche Konzerne, die sich im Bündnis mit Hitler und seinen germanischen Eroberungsplänen kräftige Gewinne versprachen.

Diese Ausstellung der Deutschen Forschungsgemeinschaft ist eine Erinnerung in eigener Sache. Etliche deutsche Behörden und Organisationen haben begonnen, ihre Vorgeschichte zu erforschen und anzunehmen. So auch das Bundeskriminalamt und der Bundesnachrichtendienst. Spät, aber nicht zu spät.

Das ist wichtig für Deutschland. Aber ich finde zugleich: Gerade auch Polinnen und Polen haben einen Anspruch darauf. Zumal zuweilen immer noch Versuche zu hören sind, Ursache und Folgen, Opfer und Täter zu verdrehen. Vereinzelt zwar, aber umso fataler. Vertreibung war primär deutsch.

In Berlin, meiner Heimat-Stadt, begegnet mir seit Jahren immer wieder dasselbe Plakat, eine Einladung ins Theater. Der Titel: „Hitler war's, ich nicht!“ Dabei geht es um mehrere Inszenierungen und Stücke. Sie alle mahnen: Hitler hätte nie Nazi-Kriegs-Führer werden können, ohne ich, du, er, sie, es.

Und es gibt neue Bedrohungen. Manche tödlich, wie für Sinti und Roma in Ungarn oder Italien. Auch Jüdinnen und Juden werden erneut verachtet und bedrängt. Ich könnte fast alle europäischen Länder durchgehen. Gefährliche Nationalismen gewinnen vielfach Zuspruch.

Soziale Probleme werden ethnisiert. Menschen werden in höher- und minderwertig, in nützlich und schädlich eingeteilt. Keine Religion rechtfertigt das und keine Politik ist zu rechtfertigen, die so etwas stützt. Die Würde des Menschen ist unantastbar, aller Menschen, jedes Menschen.

Deshalb wünsche ich der Ausstellung viele nachdenkliche Betrachterinnen und Betrachter. Es geht um Damals und zugleich um Gegenwart und Zukunft. Ein Forschungsteam hat diese Geschichte in der Geschichte beschrieben. Nun danke ich allen, die diese Ausstellung in Polen ermöglicht haben.
 

 

 

17.4.2012
www.petra-pau.de

 

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