DIE LINKE ist für doppelte Staatsbürgerschaft

Bundestag, 16. Januar 2014, Debatte zum Staatsangehörigkeitsrecht
Rede von Petra Pau

1. 

1940 schrieb Bertolt Brecht seine „Flüchtlingsgespräche“.
Darin geht es auch um das Verhältnis von Pass und Mensch, von Staat und Bürger. (Zitat):
 
„Der Pass ist der edelste Teil von einem Menschen.
Er kommt auch nicht auf so einfache Weise zustande wie ein Mensch.
Ein Mensch kann überall zustand kommen, auf die leichtsinnigste Art
und ohne gescheiten Grund, aber der Pass niemals.
Dafür wird er auch anerkannt, wenn er gut ist, während ein Mensch noch so gut sein kann und doch nicht anerkannt wird.“

 
Derselbe Streit - Mensch oder Pass - steckt letztlich auch hinter der anhaltenden Debatte über eine doppelte Staatsbürgerschaft.
CDU und CSU favorisieren offenbar den Pass, DIE LINKE die Menschen. Deswegen sind wir auch für eine doppelte Staatsbürgerschaft.

2. 

Damit wähnten wir uns übrigens mit der SPD einig.
Zumal Siegmar Gabriel erst kürzlich klargestellt hatte (Zitat):
„Ich werde der SPD keinen Koalitionsvertrag vorlegen,
in dem die doppelte Staatsbürgerschaft nicht drin ist.“

Es kam anders. Im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD hat erneut der Pass über die Menschen obsiegt. Ich bedauere das.

3. 

Und deshalb teile ich die Kritik von Kenan Kolat, Vorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland.
Heraus gekommen ist keine große europäische Lösung, sondern eine klein-deutsche Geste. Und die spaltet erneut.
 
Ja, der Optionszwang soll fallen. Hier geborene junge Menschen sollen nicht mehr entscheiden müssen, ob sie Deutsche oder Türken sind.
Aber Ältere und neu Eingewanderte stehen weiter vor der Qual der Wahl. Sie dürfen nicht einfach Mensch sein. Über sie entscheidet weiter der Pass.
Das ist engstirnig und obendrein ungerecht.

4. 

Ich kenne übrigens keine triftigen Gründe, die gegen eine doppelte Staatsbürgerschaft sprechen, nur nationalistische.
In zahlreichen EU-Staaten ist eine doppelte Staatsbürgerschaft längst Usus und obendrein erfolgreich. In Deutschland nicht. Es ist wie bei direkter Demokratie: Auch im Staatsbürgerschaftsrecht ist Deutschland nicht etwa Spitze, sondern ein EU-Entwicklungsland.
Das ist blamabel.

5. 

Nun ist selbst die Abschaffung des unsäglichen „Optionszwanges“ bislang lediglich eine pure Ankündigung der großen Koalition.
Bündnis 90/Die Grünen fordern mit ihrem Antrag ein schnelleres Handeln.
Das unterstützten wir.
Aber es bleibt die kleine Lösung auf Koalitions-Niveau.
DIE LINKE drängt auf weitergehende Änderungen.

6. 

Wir wollen, dass das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht grundlegend modernisiert und Einbürgerungen unbürokratisch erleichtert werden.
Wir möchten, dass der Pass nur Pass bleibt, und dass der Mensch auch Bürger sein kann - anerkannt und gleichberechtigt.
 
Dazu gehört, dass Bürgerinnen und Bürger, die seit Jahren hier leben, auch ohne deutschen Pass mitbestimmen und wählen können.
Sie dürfen es bislang nicht. Sie bleiben so Bürger 2. Klasse.
Das lehne ich ab und das will DIE LINKE mit ihrem Antrag ändern.
 

[download] Stenographischer Bericht, pdf-Datei

[als Video]

 

 

16.1.2014
www.petra-pau.de

 

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