Konsequenzen aus NSU-Desaster überfällig
Bundestag, 3. Juli 2014, Debatte zum NSU-Antrag der Fraktion Bündnis90/Die Grünen
Rede von Petra Pau
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1. |
Im Tagesspiegel war jüngst zu lesen: Die Zeichen mehren sich. Der NSU-Schock ist vorbei, die alten Routinen sind anscheinend stärker als die öffentliche Scham nach dem NSU-Skandal.
Es ging um eine aktuelle Statistik der Bundesregierung zu rechtsextremer Gewalt, die noch immer oder schon wieder klein gerechnet wird. So, als hätte es das NSU-Desaster nie gegeben.
Und es geht nicht nur um Zahlen. Noch immer kann keine Rede von der bedingungslosen Aufklärung sein, die Bundeskanzlerin Angela Merkel im Februar 2012 versprochen hatte.
Der Schutz von V-Leuten der Sicherheitsbehörden aus dem Nazi-Milieu gilt noch immer mehr, als die Aufklärung rechtsextremer Verbrechen. Das jüngste Beispiel dafür lieferte Hamburg.
Andere V-Leute sterben plötzlich auf mysteriöse Weise, just, da sie vor Gericht aussagen sollten. Die aktuellen Erklärungen des Bundeskriminalamtes und des Verfassungsschutzes dazu im Innenausschuss waren unterirdisch.
Drei Mal noch immer! Bündnis 90/Die Grünen haben das anhaltende NSU-Desaster erneut auf die Tagesordnung des Bundestages gesetzt. Anderenfalls hätte es die Fraktion DIE LINKE getan.
Denn noch immer wurde so gut wie keine Schlussfolgerung aus dem Bericht des NSU-Untersuchungsausschusses umgesetzt, nicht im Bund, nicht in den Ländern. Das ist schäbig und gefährlich.
Bevor das NSU-Nazi-Trio aufflog, wollten die Behörden nichts von Rechtsterrorismus wissen. Zugleich lässt sich Rechtsterrorismus nicht auf NSU reduzieren. Höchste Zeit also, aktiv zu werden.
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2. |
Bündnis 90/Die Grünen schlagen in ihrem Antrag drei Aktionsfelder vor. Ich nehme positiv auf, dass sich die Positionen der Grünen und der LINKEN dabei weiter annähern.
Für die Fraktion DIE LINKE unterstreiche ich noch einmal drei Punkte.
Erstens: Die Ämter für Verfassungsschutz standen im Zentrum des Versagens bei der NSU-Nazi-Mordserie. Sie sind Fremdkörper einer lebendigen Demokratie, nicht reformierbar und nicht kontrollierbar.
Deshalb sind die Ämter für Verfassungsschutz als Geheimdienste aufzulösen und die unsägliche staatliche Kumpanei mit Nazi-V-Leuten unverzüglich zu beenden. Das betrifft auch die Kriminalämter.
Zweitens: Die gesellschaftlichen Initiativen gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus, für Demokratie und Toleranz sind endlich verlässlich, langfristig und ausreichend zu unterstützen.
DIE LINKE plädiert für ein Stiftungsmodell, fern partei-politischer Schwankungen. Aber schon jetzt ist der Förder-Etat dringend auf 50 Millionen Euro zu erhöhen, bundesweit, in West und Ost.
Drittens: Das gesellschaftliche Thema, das auch mit dem NSU-Desaster offenbar wurde, heißt Rassismus. Beileibe nicht nur am rechtsextremen Rand, sondern inmitten der Gesellschaft, auch in Behörden.
Um diesen Befund schlugen die alten Bundesregierungen und schlägt auch die neue Bundesregierung einen großen Bogen. Das ist verantwortungslos, allemal gegenüber den Opfern.
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