Rechtsextremismus - die Bundespolitik muss endlich aufwachen

Bundestag, 11. September 2014, Debatte zum Haushalt 2015, Etat Familie, Frauen, Senioren und Jugend
Rede von Petra Pau

1. 

Am kommenden Sonntag wird es in Berlin eine Kundgebung geben - eine beeindruckende, so hoffe ich. Ihr Motto: „Steh auf! Nie wieder Judenhass!“ Anlässe dafür gibt es leider viele, zu viele.
 
Ich gehe davon aus, dass sich etliche von uns dort treffen werden, über alle Fraktionsgrenzen hinweg.
 
Denn der gemeinsame Kampf aller Demokratinnen und Demokraten gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus hat nur eine Chance, wenn er nicht parteipolitisch missbraucht wird.

2. 

Das war übrigens auch das Grundverständnis im Untersuchungsausschuss des Bundestages zur NSU-Nazi-Mordserie und zum Staatsversagen.
 
Entsprechend einhellig wurde auch der Abschlussbericht mit rund 50 konkreten Schlussfolgerungen getragen.
 
Eine Schlussfolgerung hieß: Die Förderung von Initiativen gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus ist unzureichend.
 
Also steht die Frage, ob der aktuelle Haushaltsansatz Besserung in Aussicht stellt. Und da sage ich für DIE LINKE: leider Nein!

3. 

Grob gesagt gab es im NSU-Untersuchungsausschuss drei Kritiken:
 
Erstens: Die Fördermittel für Initiativen gegen Rechtsextremismus und für Opferberatung sind zu gering, allemal in den westlichen Bundesländern.
Das ist kurzsichtig.
 
Zweitens: Rechtsextremismus und Rassismus sind ein Dauerproblem. Initiativen dagegen werden aber nur kurzatmig unterstützt.
Das ist unangemessen.
 
Drittens: Die sogenannte "Extremismus-Klausel" stellt Demokratie-Initiativen unter einen Generalverdacht verfassungsfeindlich zu sein.
Das ist kontraproduktiv.

4. 

Welche Antworten darauf bietet nun der aktuelle Haushaltsplan.
 
Erstens:
Im Wahlkampf 2013 hatte die SPD 70 Millionen pro Jahr gefordert. Geblieben sind im aktuellen Finanzplan 30 Millionen Euro.
 
Da diese 30 Millionen zudem mehr Initiativen zugutekommen sollen, allemal in den West-Bundesländern, bedeutet das unter dem Strich:
Minus statt Plus.
 
DIE LINKE bleibt dabei: Vonnöten sind mindestens 50 Millionen Euro.
 
Zweitens:
Die gesellschaftlichen Initiativen gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus werden weiterhin zum Hecheln genötigt.
 
Wieder und wieder müssen sie bürokratisch ihre Berechtigung nachweisen. Das klaut ihnen Zeit und verplempert Kompetenz.
 
Vor Jahren hatte Wolfgang Thierse alternativ für ein Stiftungsmodell plädiert. Diese gute Idee ist wieder weg. DIE LINKE bleibt ihr treu.
 
Drittens:
Es gibt einen künstlichen Dauerstreit, welche Extremisten gefährlicher seien. Die SPD sagt, die von rechts, die Union kontert, die von links.
 
Nun haben Medien berichtet, die Innenminister-Konferenz habe eine Studie über "Linksextremismus" in Auftrag gegeben.
 
Ergo hat die Links-Fraktion gefragt: Was soll untersucht werden? Welche Anhaltspunkte gibt es? Welche Fragen wurden gestellt? Welchen Anteil und welche Erwartungen hat an alledem die Bundesregierung?
 
Die schriftliche Antwort des Innenministeriums darauf lautet:
Das alles sei streng geheim, nix für Abgeordnete.
Ich finde das nicht geheimnisvoll, sondern weltfremd und arrogant.

5. 

Abschließend:
Zur Erinnerung: Heute - exakt vor 14 Jahren - wurde Enver ?im?ek hingerichtet. Er war das erste NSU-Opfer.
 
Überhaupt erleben wir seit längerem einen gesellschaftlichen Rechtsruck.
Wissenschaftler haben ihn mehrfach vorausgesagt.
Es ist daher höchste Zeit, dass die Bundespolitik endlich aufwacht.
 

[download] Stenographischer Bericht, pdf-Datei

[als Video]

 

 

11.9.2014
www.petra-pau.de

 

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