Eine menschliche Katastrophe und ein politisches Desaster
Bundestag, 22. April 2015, Plenardebatte zur Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer
Rede von Petra Pau
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1. |
Tausende Flüchtlinge, Menschen ohnehin in Not, ertrinken im Mittelmeer.
Das ist eine menschliche Katastrophe und ein politisches Desaster.
Versagt hat die EU-Flüchtlingspolitik, also auch die deutsche.
Sie ist auf Abwehr ausgerichtet, statt auf Lösungen.
Das muss sich ändern.
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2. |
1990 lief der BBC-Film Der Marsch.
Darin versuchen immer mehr Menschen ihrem Elend in Afrika zu entkommen und Hilfe im gelobten Europa zu finden.
Sie stoßen auf eine hochgerüstete Festung, in der Rassismus brodelt.
Das war vor 25 Jahren, einem viertel Jahrhundert.
Nun scheint das Szenario Realität zu werden.
Mit Abendland und westlichen Werten hat das nichts zu tun.
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3. |
In denselben 25 Jahren sind die Fluchtursachen nicht weniger geworden, nicht der Hunger, nicht das Elend, nicht Vertreibung, auch nicht Kriege. Genau da aber liegt das tiefere Problem.
Wer weniger Flüchtlinge will, muss eine globale Entwicklung fördern, die Gerechtigkeit schafft und Frieden gebietet.
Das beginnt bei fairem Handel ohne Rüstungsexporte.
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4. |
Nun will sich die EU auf einen Zehn-Punkte-Plan einigen:
von A, wie Asylverfahren, bis Z, wie Zusammenarbeit der Polizeien.
Nach E, wie Entwicklung, oder H, wie Humanismus, sucht man vergebens. Da hilft auch der Verweis nichts, das eine müsse sofort sein, das andere folge langfristig.
Denn, wenn die langen Fristen nicht umgehend beginnen, werden sie auch in weiteren 25 Jahren noch nicht fruchten.
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5. |
Flüchtlinge wiederum, die es in die Bundesrepublik schaffen, treffen auf zwei Deutschlands.
In einem schüren besorgte Bürger Hass.
Im anderen leisten bewegte Bürger Hilfe.
Letzteren gilt unser Dank, unser Zuspruch, unsere Unterstützung:
zumeist Ehrenamtliche, vom Arbeiter-Samariter-Bund, von der Arbeiterwohlfahrt oder aus der Nachbarschaft von Unterkünften.
Aber auch das gehört leider zum Alltag: Sie brauchen Schutz.
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6. |
Noch etwas muss sich ändern.
Integration ist mehr als Innenpolitik, sie betrifft nahezu alle Bereiche, Bildung und Soziales, Recht, Arbeit und Teilhabe, usw.
Die linken Sozialministerinnen von Brandenburg und Thüringen haben dazu aktuell ein Konzept vorgelegt. Ich empfehle einen Blick ins Internet.
Schließlich:
Es geht nicht, dass der Bund sagt: Wir registrieren die Flüchtlinge, die Betreuung obliegt allein den Ländern und Kommunen.
Der Bund muss umgehend mehr Verantwortung übernehmen,
mit Geld,
mit Liegenschaften,
mit humanen Standards
und mit einer Politik, die Flucht und Vertreibung entgegenwirkt.
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