IM WORTLAUT

DIE FRAKTION IN DEN MEDIEN

Der Komplex „Marschner“

30. Mai 2016

Wenn der Untersuchungsausschuss zur NSU-Mordserie an diesem Donnerstag tagt, geht es erneut um die Rolle des V-Manns mit dem Tarnnamen „Primus“. Petra Pau, Obfrau für DIE LINKE im Ausschuss, interessiert sich vor allem für sein Verhältnis zum Verfassungsschutz.

Der Untersuchungsausschuss zum NSU-Nazi-Mord-Desaster tagt erneut am 2. Juni. Zuletzt war es um das NSU-Finale Anfang 2011 in Eisenach und Zwickau gegangen. Was wird nun Thema?

Petra Pau
Wir widmen uns erneut dem Komplex „Marschner“.

Ein strammer Nazi aus Sachsen?

Bundesweit vernetzt, Polizei bekannt, mehrfach straffällig und vor allem: Er war jahrelang V-Mann des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Tarnname „Primus“.

Er soll Mundlos aus dem illegalen NSU-Trio legal in seinem Bau-Abriss-Unternehmen beschäftigt haben?

Das legt eine ARD-Dokumentation nahe, ist für mich aber noch eine offene Frage. Klar ist, dass Marschner die NSU-Nazis von gemeinsamen Aktionen her kannte. Und auch ihre Wohnorte in Zwickau sprechen für eine große Nähe.

Sie waren jüngst in Zwickau und haben sich die Gegend angeguckt.

Dabei war unübersehbar, dass es auch aktuell dort nicht an Nazis mangelt.

Was die Stadtoberen gern ausblenden, oder?

Patrick Thürmer war ein Punk, der 1999 von Nazis ermordet wurde. Marschner soll davon gewusst und versucht haben, die Täter zu schützen. In der staatlichen Statistik über Opfer rechtsextremer Gewalt tauchte dieser Fall allerdings jahrelang nie auf. Derart abgewiegelt wird in allen Bundesländern, insbesondere aber in Sachsen.

Marschner soll ebenso wie Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe der B&H, der Blood-and-Honour-Szene angehört haben?

Ja, wobei B&H keine Konzertagentur ist, die gelegentlich Nazi-Musik aufführt, sondern ein rechtes Wutprojekt für Mord und Totschlag, international vernetzt.

Marschner steht in Verdacht, die Autos angemietet zu haben, mit denen Böhnhardt und Mundlos zu ihren NSU-Tatorten gefahren sein sollen, zum Beispiel nach Nürnberg oder München.

Ja, auch das bleibt aufzuklären, primär allerdings durch das Bundeskriminalamt. Denn wir Parlamentarier sind keine Ersatz-Ermittler im Polizei-Sinne.

Was macht Marschner dann für den Untersuchungsausschuss interessant?

Das Verhältnis des Bundesamtes für Verfassungsschutz zu ihm. Was wollte es von ihm, was erfuhr es von ihm und was machte oder unterließ es mit diesem Wissen – konkret zum NSU-Trio.

Marschner wurde bereits vor Jahren „abgeschaltet“, wie es Amtsdeutsch heißt, und er lebt seit längerem als Unternehmer in der Schweiz. Richtig?

Und als Nazi. Noch Ende November 2011, nach dem Auffliegen des NSU-Nazi-Mord-Trios, hatte er auf facebook „Heil NSU“ hinterlegt, sagen Insider.

Wer ist als Zeuge im NSU-Untersuchungsausschuss geladen?

Beamte des Bundeskriminalamtes und der LKA Thüringen und Sachsen, die mit der NSU-Aufklärung befasst waren.

Nicht Marschner selbst?

Nein!

Und das Bundesamt für Verfassungsschutz, was sagt das zu alledem?

Wie gehabt: Null-Nichts! Für den Chef des BfV, von Maaßen, sind die Untersuchungen der Parlamente ohnehin nur arrogante Störfälle.

Ein Demokrat durch und durch?

Von Amtswegen!

Gespräch: Rainer Brandt

linksfraktion.de, 30. Mai 2016

 

 

31.5.2016
www.petra-pau.de

 

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