nd

„Ich komme weiterhin meinen Pflichten nach“

Petra Pau über die Entscheidung des Bundespräsidenten, die Praktiken des Bundeskanzlers und die kommenden 58 Tage
23./24. Juli 2005

Petra Pau, die seit 1998 für die PDS im Bundestag sitzt, ist der Meinung, dass die Wahlentscheidung am 18. September nicht Schröder oder Merkel heißt, sondern: Sozialabbau oder soziale Gerechtigkeit. Mit der 41-jährigen sprach Gabriele Oertel.

Bundespräsident Köhler hat am Donnerstagabend den Bundestag aufgelöst. Wie fühlt man sich als aufgelöste Abgeordnete?

Ich fühle mich überhaupt nicht aufgelöst und werde selbstverständlich meinen Pflichten bis zur Konstituierung des neuen Bundestages nachkommen. Ich finde es aber politisch richtig, dass der Weg für Neuwahlen und damit für eine Volksabstimmung über den politischen Kurs frei ist.

Die Vertrauensfrage des Kanzlers war doch aber eindeutig eine fingierte Angelegenheit?

Richtig. Das gehört zu den Dingen, die sich aus meiner Sicht sowohl Schröder als auch die ihn tragende Regierungskoalition vorwerfen lassen müssen. Das ist im Übrigen nicht neu. Der Kanzler hatte ja auch die Abstimmung über die Beteiligung der Bundesrepublik am Krieg gegen Afghanistan mit der Vertrauensfrage verknüpft. Da kam es zu der absurden Situation, dass die Abgeordneten der konservativen Opposition, die unbedingt in den Krieg nach Afghanistan ziehen wollten, gegen diesen Einsatz stimmten - weil er mit der Vertrauensfrage verknüpft war. Und Abgeordnete der Regierungskoalition, die zum Teil gegen einen solchen Kriegseinsatz waren, wiederum sahen sich genötigt, Schröder das Vertrauen auszusprechen und stimmten für den Einsatz. Insofern hat der Kanzler wie die rot-grüne Koalition erhebliche Demokratiedefizite.

Sollte die Abgeordnete einer Linkspartei aber derlei Praktiken nicht eigentlich Widerstand entgegensetzen?

Zunächst: Ich halte Neuwahlen für politisch vernünftig, sie entsprechen der Mehrheitsmeinung im Bundestag und in der Bevölkerung. Und außerdem: Weder Gesine Lötzsch noch ich hatten bei Schröders Vertrauensfrage ein Problem: Wir haben kein Vertrauen zu diesem Kanzler. Aber die Kollegen Jelena Hoffmann und Werner Schulz kann ich gut verstehen.

Der Kanzler-Wunsch nach Neuwahlen geht vermutlich in Erfüllung. Er wünscht sich damit auch die Abstimmung des Souveräns über seine Politik. Wie geht's aus?

Ich bin keine Hellseherin. Ich werde aber jetzt alle Kraft darauf verwenden, dass die Wählerinnen und Wähler tatsächlich erfahren, worüber abgestimmt wird. Es geht nicht darum, ob Angela Merkel Kanzlerin wird oder Gerhard Schröder es bleibt. Es geht um eine Volksabstimmung über die Agenda 2010, die von konservativer Opposition und Rot-Grün gemeinsam getragen wurde und der Gegenentwurf zu einem demokratisch verfassten Sozialstaat ist. Wir stellen dem eine Agenda Sozial gegenüber. Die Wählerinnen und Wähler haben also die Möglichkeit, zwischen zwei politischen Konzepten zu entscheiden.

Sie nehmen Abgeordnetenpflichten weiter wahr, haben Sie gesagt. Was passiert eigentlich in den nächsten 58 Tagen?

Der 15. Deutsche Bundestag bleibt im Amt bis zur Neuwahl. Am 10. August habe ich den nächsten Wahlkreis-Tag. In der ersten Septemberwoche ist er zur Sitzung einberufen. Ich gehe davon aus, dass dort sowohl der Haushaltsentwurf von Finanzminister Eichel als auch der Abschlussbericht des Visa-Untersuchungsausschusses auf der Tagesordnung steht. Gleichzeitig erwarte ich, dass die Bundesregierung anstehende Fragen von Militärmandaten im Ausland natürlich diesem Bundestag zur Abstimmung vorlegt. Ich werde außerdem an Beratungen des Innenausschusses teilnehmen. Das Bundesverfassungsgericht gab dem Bundestag völlig zu Recht Hausaufgaben zum EU-Haftbefehl auf. Ich rechne mit weiterem nächste Woche zum Lauschangriff.

Das Bundesverfassungsgericht hat ja ohnehin in Schröders Regierungsjahren eine sehr große Rolle gespielt, weil manches nun wirklich nicht so lief, wie es hätte laufen müssen. Ist damit zu rechnen, dass Karlsruhe bei der Frage Neuwahlen noch ein Strich durch seine Rechnung macht?

Dies ist sehr gut möglich. Das Verfassungsgericht ist da souverän und ich werde mit Achtung das Ergebnis entgegennehmen. Aber richtig ist der Befund, dass Rot-Grün, welches ja aufgebrochen ist, um mehr Demokratie zu wagen, eher die Demokratie im Land abgebaut hat. Nehmen wir nur das 98er Wahlversprechen und die 2002er Koalitionsvereinbarung - da war immer von Volksentscheiden die Rede. Dann hat der Kanzler erklärt, es gibt mit ihm keine Volksabstimmung, basta!

Jetzt allerdings hat der Kanzler zu einer Volksabstimmung über sich selbst aufgerufen.

Und die soll er bekommen.
 

 

 

25.7.2005
www.petra-pau.de

 

Seitenanfang

 

Termine

 

Lesbares

 

Startseite