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Warum nicht lieber von der Oberschicht reden

21.Oktober 2006
von Petra Pau

Exklusiv für unsere Zeitung nehmen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens zu aktuellen Themen Stellung. Heute schreibt zum Thema Initiativen zur Lösung des sogenannten „Unterschicht“-Problems Petra Pau, Linkspartei, Bundestags- vizepräsidentin und stellvertretende Fraktionsvorsitzende:

„Du auch Unterschicht?“ „Nein, ich Prekariat!“ So oder auf ähnlichem Niveau debattieren seit einer Woche etliche Oberschlaue, egal ob sie Journalist sind oder Politiker heißen. Natürlich kann man sich über Begriffe streiten. Aber das Problem lässt sich nicht schön-reden: Immer mehr Bürgerinnen und Bürger fühlen sich arm, ausgegrenzt und perspektivlos. Übrigens nicht nur in den neuen Bundesländern. Die „Unterschicht“ wächst in allen strukturschwachen Regionen, auch in Franken, Pirmasens oder Bremerhaven.

Eine aktuelle Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung gilt als Kronzeuge. Was hat sie Neues erbracht? Das, was die Spatzen seit langem von allen Dächern pfeifen: Auch hierzulande werden die Reichen immer reicher und die Armen immer zahlreicher. Also: Warum reden wir nicht endlich über die Oberschicht?

Als sich BILD in großen Lettern als Anwalt der "neuen" Unterschicht andiente, da ahnte ich schon, wohin das führt. Ich hatte leider Recht. „Rot-Grün ist Schuld“, meinte die CDU. „Nein, Schröder“, befand die SPD-Linke. „Es gibt gar keine Unterschicht“, konterte die SPD-Rechte.

Auf all das hatte ich keinen Bock. Also schlug ich stattdessen drei konkrete Maßnahmen vor, keine Patentlösungen, kein Komplexpaket, aber immerhin: Eine soziale Grundsicherung, einen gesetzlichen Mindestlohn und eine Ausbildungsabgabe.

Die Grundsicherung für alle würde die unwürdigende Hartz-IV-Prozedur erübrigen. Außerdem könnte dadurch der unsägliche Daten-Klau und die Bespitzelung entfallen, mit der Arbeitslose obendrein ihrer Bürgerrechte beraubt werden. Von einem gesetzlichen Mindestlohn würde man leben können, nicht üppig, aber allemal besser als Friseusen oder Wachmänner mit ihrem 4-Euro-Stundenlohn. Eine Ausbildungsabgabe wiederum müssten jene leisten, die nicht ausbilden, obwohl sie es könnten. Das sind übrigens zunehmend die börsennotierten Großkonzerne. Nutznießer der Umlage wären all die Klein- und Mittelständler, die sich trotz eigner Probleme um den Fachnachwuchs kümmern. Und natürlich die vielen Jugendlichen, die bislang vergeblich eine Lehrstelle suchen.

Und wenn wir schon über Drunter und Drüber reden: Warum muss das Ossi noch immer für weniger Geld länger arbeiten, als das Wessi? Schlimmer noch: Warum wird ein zerfetztes Soldatenbein-Ost schlechter versichert, als ein zerfetztes Soldatenbein-West? Weil ganz Neufünfland eine Unterschicht ist oder ein Prekariat?
 

 

 

21.10.2006
www.petra-pau.de

 

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