Presseerklärungen
der Vorsitzenden der PDS-Landtagsfraktionen

Potsdam, 23. Mai 2003

Ein Impulspapier zum Thema „Arbeit, Ansiedlungen, Aufträge - für ein Innovationsprojekt Ost“, die „Agenda Sozial“ und eine Positionsbestimmung zur Reform des Föderalismus standen im Mittelpunkt der heutigen Beratung der Vorsitzenden der PDS-Landtagsfraktionen im Potsdamer Landtag.

An der Beratung unter Leitung des Brandenburger Fraktionsvorsitzenden Lothar Bisky nahmen teil Stefan Liebich (Berlin), Angelika Gramkow (Mecklenburg-Vorpommern), Peter Porsch (Sachsen), Petra Sitte (Sachsen-Anhalt) und Bodo Ramelow Thüringen. Gäste der Beratung waren die PDS-Bundestagsabgeordneten Gesine Lötzsch und Petra Pau.

Namens der Fraktionsvorsitzenden erklärt Lothar Bisky:

Weniger Sozialstaat bringt nicht mehr Jobs -
Veränderung ist aber notwendig

Die Themen, die den derzeitigen Reformdiskurs in der Bundesrepublik bestimmen, sind überschaubar:

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der Aufbau auch in Zukunft sicherer Sozialversicherungssysteme - insbesondere in Bezug auf die Renten und den Bereich Gesundheitswesen,

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der Umbau der Arbeitsgesellschaft,

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die Entwicklung einer eigenständigen, global orientierten europäischen Außen- und Sicherheitspolitik als Gegengewicht zum Unilateralismus eines George Bush.

Die „Reformer“ um Schröder, Clement, Merkel und Stoiber gehen diese komplexen Herausforderungen nur sehr reduziert an: Sie bauen die sozialen Sicherungssysteme nicht um, sondern nutzen Leistungskürzungen jedweder Art. Sie reformieren die Arbeitsgesellschaft nicht, sondern sie verschaffen allein der Wirtschaftsseite größeren Spielraum, indem sie z.B. den Kündigungsschutz erheblich reduzieren. Sie konsolidieren nicht die Haushalte, sondern streichen und verschenken, und zwar ohne irgend etwas wirklich in der Hand zu haben, ohne Folgen abschätzen zu können und ohne auf neue Art Effizienz öffentlicher Mittelverwendung herstellen zu können.

Erwartungsgemäß gab es am Mittwochabend (21. 05. 2003) bei der Regionalkonferenz in Potsdam keinen Aufstand der Ost-SPD gegen die Agenda 2010. Gerhard Schröder, Manfred Stolpe und andere verkauften nur ihre altbackenen Rezepte West mit Modifizierung Ost und sangen zudem ein Hohelied auf die Ossis, die einen doppelten Umbruch zu verkraften gehabt hätten - erst 1989/90 und jetzt angesichts der Folgen der Globalisierung in der Welt. Aber auf der Konferenz wurde auch sehr deutlich, dass viele dem Kurs von Schröder nur distanziert und „mit Problemen“ folgen.

Mit jeglichem Verzicht auf gesamtwirtschaftliche Steuerung, mit der Reduzierung der Staatsaufgaben gegenüber der gesamtwirtschaftlichen Produktion, mit der Senkung von Lohnnebenkosten im Bereich der gesetzlichen Sozialversicherung und einer stärkeren Privatisierung aller sozialer Risiken, mit dem Abbau von Regulierungen zum sozialen Mindestschutz auf den Arbeitsmärkten und der Reduktion der realen Lohnzuwächse unterhalb der Rate steigender Arbeitsproduktivität ist aber die so dringend notwendige Ankurbelung der Wirtschaft nicht zu erreichen. Vielmehr wird die Massenkaufkraft weiter eingeschränkt, die Armut wird wachsen, die Sozialaufwendungen der Gesellschaft werden weiter steigen. Die Agenda 2010 zerstört am Ende damit die gegen die Krise wirkenden Stabilisatoren.

Mit der „Agenda Sozial“ hat die PDS ihre Vorstellungen öffentlich gemacht. Wir sagen nicht, dass sie das Non-plus-Ultra sind. Sie sind unser Ansatz, sie verdeutlichen, dass wir als sozialistische Linke in der Bundesrepublik spezifische Zugänge haben, um die Fragen der Gegenwart zu beantworten:

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Ein gerechter Zugang aller zu den gesellschaftlichen Ressourcen muss hergestellt werden.

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Es müssen Lösungen gefunden werden, in deren Folge Menschen nicht sozial ausgegrenzt, sondern bestehende Ausgrenzung durch Integration beendet wird.

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Die wirtschaftliche und politische Macht muss durch die Stärkung der Interessen des Individuums und der sozial Betroffenen auf allen Ebenen begrenzt werden.

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Die Bundesrepublik braucht ein solidarisches, kein egoistisches Menschenbild - der Mensch muss auch durch politische Rahmensetzungen in die Lage versetzt werden, sich solidarisch zu verhalten.

Wenn die PDS ihre Antworten auf die Fragen deutlicher als dies bisher geschah artikuliert und sich mit ihnen wieder in den gesellschaftlichen Diskurs begibt, dann wird ihr Gebrauchswert für die Gesellschaft auch wieder sichtbar werden. Angesichts der Agenda 2010 und der sie begleitenden konservativen Konzepte von CDU/CSU und FDP braucht die Bundesrepublik mehr denn je eine demokratische Linke.

Die Fraktionsvorsitzenden gehen davon aus: Mit gemeinsamen Themen werden sich der PDS auch wieder Tore in die Öffentlichkeit und Politik öffnen. Voraussetzung ist, dass die PDS sich politisch aufstellt, auf die Gesellschaft gerichtet, konsequent und ohne ängstliche Rückschau. Dabei fangen wir nicht beim Punkt Null an, aber es liegt eine Menge Arbeit vor uns.

Namens der Fraktionsvorsitzenden erklärt Angelika Gramkow:

Arbeit, Ansiedlungen, Aufträge - für ein Innovationsprojekt Ost

Wirtschaftliche, soziale und politische Reformbestrebungen dürfen nicht länger - wie in der Agenda 2010 - am Osten vorbei gedacht werden. Das Impulspapier „Arbeit, Ansiedlungen, Aufträge - für ein Innovationsprojekt Ost“ kann ein Ausgangspunkt für Reformen in Ostdeutschland werden.

Die PDS will sich mit ihrem Vorschlag eines Innovationsprojektes neue Länder und der Agenda Sozial in die derzeitige Reformdebatte einbringen und Alternativen aufzeigen.

Dreh- und Angelpunkt dürfen nicht Arbeitsmarktreformen, sondern muss die Schaffung von Arbeitsplätzen sein. Entscheidend dafür sind bessere Konditionen für neue Ansiedlungen im Osten. Statt sich im Gerangel um Subventionen zu erschöpfen, braucht Ostdeutschland eine strategische Allianz für Arbeitsplätze, Ansiedlungen und Aufträge. Für ein Innovationsprojekt Ost und die Errichtung von Modellregionen kommt dem Bund im Zusammenwirken mit den Landesregierungen eine wichtige Rolle zu. Nur wenn die neuen Länder gemeinsam und konzentriert ihre Interessen in Brüssel vertreten, wird es gelingen, Neuregelungen durchzusetzen.

Die ostdeutschen Länder sollten zum bundesweiten Modell für modernes Verwaltungshandeln werden. Überflüssige Regelwerke aus den Zeiten der Industriegesellschaft, die nach Ostdeutschland exportiert wurden, sollen abgeschafft, Antragsteller so weit wie möglich von Nachweis- und Genehmigungspflichten entlastet und moderne Regelwerke - bspw. in Beteiligungsverfahren - entwickelt werden. Eine Offensive zur Modernisierung des Verwaltungshandelns würde signalisieren, dass diese Länder alles tun, um hemmende Vorschriften abzuschaffen und mit den Mitteln sorgsam und effizient umgehen.

Namens der Fraktionsvorsitzenden erklärt Petra Sitte:

Landesparlamente stärken

Die aktuelle Diskussion zur Kompetenzsicherung der Länder - insbesondere der Landtagsparlamente - zwischen Vertretern der Bundesregierung, der Ministerpräsidenten sowie der Vertreter der Landtage, wird von der PDS unter dem Aspekt der Sicherung des föderalen Charakters der Bundesrepublik sowie der Bedeutung der Legislative in den Ländern unterstützt. Dabei lässt sich die PDS vom Grundgedanken des solidarischen Föderalismus leiten. Die Partei wird sich in diesen Prozess mit ihren Vorschlägen

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zur Sicherung der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in allen Teilen des Bundesgebietes,

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für mehr Transparenz und Bürgernähe der Politik sowie

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zur stärkeren Einbeziehung der Landesparlamente in die Entscheidungsfindung des Bundesrates und der EU

einbringen. Sie wird sich dafür einsetzen, dass die bevorstehenden Änderungen im föderalen System der Bundesrepublik nicht nur Sache der Parlamente und Regierungen sind, sondern mit Gewerkschaften und Verbänden breit diskutiert werden.

Die Fraktionsvorsitzenden-Konferenz hat die Initiative der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung vom 27. März 2003 zur Kenntnis genommen und begrüßt, dass dadurch die Diskussion um eine Reform des Föderalismus belebt wird. In diesem Zusammenhang warnen die Fraktionsvorsitzenden allerdings eindringlich vor Bestrebungen der MPK unter dem Deckmantel der Stärkung von Landeskompetenzen das grundgesetzliche Ziel der Angleichung der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet (GG Artikel 72, Abs.2) aufzugeben.

Verantw. Pressesprecherin: Alrun Nüßlein
 

 

 

23.5.2003
www.petra-pau.de

 

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