Es gibt keine gesellschaftliche Strategie gegen Antisemitismus

Petra Pau auf der Pressekonferenz zum Expertenbericht „Antisemitismus in Deutschland“

1. 

Ich fange mal klein an. Dem Bericht habe ich entnommen, dass das Märchen „Rumpelstilzchen“ antisemitische Klischees bedient. Darüber denke ich seither nach. Und zwar mit der Frage: Gibt es in der deutschen Alltags-Kultur Überlieferungen, die judenfeindlich sind?
 
Und es gibt sie. Im süddeutschen Raum wurden noch in den 1980er Jahren Osterfeste gefeiert, bei denen als Höhepunkt Strohpuppen verbrannt wurden, an Juden statt. Ich unterstelle nicht, dass dies bewusst feindlich geschah. Es gehörte einfach dazu, wie eh und je.

2. 

Ich springe zum Fazit des Expertenberichtes. Es gibt keine politische und gesellschaftliche Strategie gegen Antisemitismus. Gelegentliche Empörung: Ja! Fundierter Konzepte: Nein! Das ist ein Auftrag an den Bundestag. Gefragt sind mehr Sachpolitiker, weniger Machtpolitiker.
 
Dasselbe trifft übrigens auf den Kampf gegen Rechtsextremismus zu. Es gibt kein schlüssiges Konzept dagegen. Ich verweise auf die Langzeitstudie von Prof. Heitmeyer und Team. Die „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ nimmt zu. Das ist ein Alarmsignal.

3. 

Im Bundestag wünsche ich mir eine nachdenkliche, sachliche Debatte über den Experten-Bericht. Also keine, wo die SPD auf die FDP zeigt und die Grünen auf die CSU und wo die CDU wieder sagt: Mit den LINKEN wollen wir ohnehin nichts gemein haben.
 
Der Expertenbericht kommt zu dem Schluss: Antisemitismus grassiert quer durch die Gesellschaft und damit auch quer durch alle Parteien. Entscheidend für mich ist: Letztlich geht es beim Antisemitismus immer um Menschen und Würde, um Geschichte und Zukunft.

4. 

Der Expertenbericht umfasst mehr als 200 Seiten. Ich halte ihn für eine gute Grundlage für gute Debatten. Ich wünsche mir solche und ich werde mich weiter daran beteiligen, nicht nur im Bundestag. Es geht um ein gesellschaftliches Problem.
 
Ich finde aber auch: Der Bericht ist eine Grundlage. Wir brauchen Fortsetzungen. Dazu muss sich der Bundestag bekennen und dafür auch materielle Voraussetzungen schaffen. Kurzum: Ich danke den Autoren und ich bitte die Fraktionen, einer Fortsetzung zuzustimmen.
 

Berlin, den 23. Januar 2012

 

 

23.1.2012
www.petra-pau.de

 

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