Apartheid gegen Ostdeutsche

frage: Hallo Frau Pau,
es ist eine immerwährende Tatsache, daß es mehr Wahlbürger im ehemaligen Westdeutschland gibt, als in der ehemaligen DDR. Diese haben eine immerwährende Mehrheit im Bundestag. Das Gleichheitsgebot im Grundgesetz sollte eigentlich dafür sorgen, daß eine solche Mehrheit nicht zum Nachteil einer Minderheit ausgenutzt werden darf.
Als „Erbe“ des Einigungsvertrages wurde nach der Wiedervereinigung der Artikel 143 in das Grundgesetz aufgenommen. Dort ist festgelegt, daß es spätestens bis Ende 1995 Abweichungen in der Gesetzgebung für das Beitrittsgebiet geben darf.

Daß heute im 16. Jahr des wiedervereinigten Deutschland immer noch 80% Wehrsold für die 18-jährigen Wehrpflichtigen gezahlt wird (die waren damals 2 Jahre alt und können sich nicht mehr an Erich Honnecker erinnern), ist m. E. ein klarer Verfassungsbruch. Ebenso die Tatsache, daß für die Beiträge zur Rentenversicherung im wiedervereinigten Deutschland (also für die letzten 16 Jahre) nur Rentenpunkte-Ost gezahlt werden. Diese Auflistung könnte man endlos fortsetzen:
- Lohnraub bei den Ärzten und damit verbundene Ärzteflucht aus dem Osten
- Lohnraub bei anderen Hochschulabsolventen und damit die Flucht dieser Ingenieure in den Westen.

Die Bundestagsabgeordenten OST bekommen sicherlich gleiche Zuwendungen wie ihre WEST-Kollegen. Diese „Volksvertreter“ haben für sich selbst Artikel 143 umgesetzt und stimmen deshalb umso williger den verfassungwidrigen neuen Ost-West-Unterschieds-Gesetzen zu. Der neu gewählte SPD-Vorsitzende aus der Pfalz hat dieses Problem gar nicht angesprochen. Bei der LINKS-Partei müsste dieses Problem als andauernder Verfassungsverstoß viel öfter angeprangert werden, ggf. auch in Karlsruhe.

Hartmut Krese, Sachsen
18. Mai 2006

Sehr geehrter Hartmut Krese,

Ihre Kritik ist völlig richtig. Ost-Deutsche werden im Jahr 16 der deutschen Einheit noch immer benachteiligt: bei Löhnen, bei Arbeitszeiten und bei vielem anderen mehr. Dagegen war die PDS immer und dagegen wird auch die Linkspartei.PDS und die Bundestagsfraktion DIE LINKE weiter sein.

Als sich unsere neue Bundestagsfraktion bildete, machte ich übrigens eine erhellende Erfahrung. Wir sind mehr „Wessis“ als „Ossis“ und als Linke allesamt natürlich dagegen, dass irgendwelche Bevölkerungsgruppen benachteiligt werden. Trotzdem wurde deutlich: Die meisten unserer neuen „Wessis“ hatten kein Gefühl, weil keine Erfahrung, in wie vielen Bereichen die „Ossis“ noch immer ungleich behandelt werden. Diese Unkenntnis werfe ich ihnen nicht vor. Sie spiegelt eine allgemeine und gern verbreitete Stimmung.

Sie kritisieren, dass der „neu gewählte SPD-Vorsitzende aus der Pfalz“ dieses Problem nicht einmal aufgegriffen hat. Ich nehme an, Sie meinen Kurt Beck und Sie beziehen sich auf den jüngsten SPD-Parteitag. Mich ärgert etwas anderes viel mehr. Wir haben mehrfach Anträge im Bundestag gestellt, die auf die Angleichung der Lebensverhältnisse in Ost und West drängten. Aber keine Ost-CDUler und auch nicht die Ost-SPDler waren bereit, diese zu unterstützen.

Nun noch zwei Nachbemerkungen:
1. Es ist ein Irrtum anzunehmen, dass Bundestagsfraktionen unentwegt stellvertretend beim Bundesverfassungsgericht klagen könnten. Das ist Sache der Betroffenen, deren Klagen wir dann politisch begleiten.
2. Bei allem Ärger und verständlicher Wut: Bitte setzten Sie die Benachteiligungen der Bürgerinnen und Bürger in den neuen Bundesländern nicht mit der Arpartheid-Politik gleich. Zur Arpartheid-Politik in Süd-Afrika gehörten Massenmorde aus rassistischen Gründen.

Mit solidarischen Grüßen

Petra Pau
29. Mai 2006

 

 

29.5.2006
www.petra-pau.de

 

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