Studienkonten und Datenschutz

Diskussionsbeitrag auf dem Landesparteitag der Berliner PDS am 4. April 2004

Ein Gedanke vorweg: Rot-Rot hat sich vorige Woche auf einen Kompromiss im „Kopftuch-Streit“ geeinigt. Ihr wisst, ich bin aus bürgerrechtlichen Gründen gegen ein Verbot. Deshalb ich will ausdrücklich sagen: Ich finde den Kompromiss gut.

Natürlich findet er auch erbitterte Gegner. Einer hat sich gestern zu Wort gemeldet, der CSU-Bundestags-Abgeordnete Geis. Das ist der, der zuweilen mittelalterliche Schmähschriften gegen die so genannte Homo-Ehe veröffentlicht. Nun meint Geis: „Mit dem Verbot von Kreuzen in Schulen und im Öffentlichen Dienst stellen sich SPD und PDS außerhalb unseres Kulturkreises“. Daher müsse er „fragen, ob dieser Senat noch Hauptstadtförderung bekommen sollte“.

Ich fahre gelegentlich nach Bayern und ich kann euch bestätigen: Es gibt dort beileibe nicht nur Deppen a lá Geis. Deshalb sollte Rot-Rot bei seinem Kurs bleiben und Berlin als weltoffene, tolerante Stadt gestalten, auch für Bayern.

Nun zum Thema des Tages: Ich bin heute in einer selten komfortablen Lage. Im Bundestag müssen Gesine und ich uns oft so oder so entscheiden. Selbst dann, wenn die PDS noch diskutiert und diskutiert oder nicht mal das. Heute muss ich nicht entscheiden, da ich keine Delegierte bin, sondern einfach Basis.

Dennoch will ich kein Geheimnis aus meiner Meinung machen. Ich kenne das Studienkonten-Modell von Thomas Flierl - von der ersten Ankündigung auf der Fraktions-Klausur im vorigen Sommer, bis zum aktuellen Stand. Und ich bin - anders als Gesine - grundsätzlich dafür.

Deshalb bedauere ich auch, dass die Idee zuweilen so defensiv vertreten wurde. Sie hätte ein Markenzeichen der Berliner PDS werden können. Stattdessen wurde zugelassen, dass die Berliner SPD sie für sich reklamiert. Dabei wissen wir alle, dass die SPD bundesweit Studiengebühren will. Das ist etwas anderes und das will ich nicht.

Gleichwohl habe ich Kritik in der Sache oder zumindest Sorge. Sie betrifft den Datenschutz und damit grundlegende Bürgerrechte. Das Studienkonten-Modell birgt zumindest die Gefahr, dass im Detail nachvollzogen werden kann, was Studierende tun oder lassen. Ich will das hier nicht Klein-Klein beschreiben, zumal Klaus Lederer dazu eine entsprechende Ausarbeitung von Christian Meyer hat. Lest sie euch durch.

Tatsache ist, dass die TU jetzt schon mit elektronischen Studenten-Ausweisen experimentiert. Neu und besonders gefährlich daran ist die RFID-Technologie. Sie basiert auf Mini-Chips, die vom Träger unbemerkt erkannt, gelesen und beschrieben werden können. Sie werden bereits in Großmärkten, etwa beim Metro-Konzern, getestet. Sie schaffen den gläsernen Kunden und sie sind ebenso geeignet, den gläsernen Studenten zu schaffen. Dagegen ist die PDS und dabei muss es auch bleiben.

Das war kein Plädoyer gegen das Konten-Modell von Thomas. Denn der Datenschutz wird schon jetzt allenthalben ausgehöhlt. Allemal dort, wo die CDU und die CSU ihre schwarzen Finger im Spiel haben. Umso mehr sollte die PDS auf der Hut sein. Denn der Teufel steckt oft im Detail oder in den Ausführungs-Bestimmungen. Deshalb bitte ich die Befürworter von Studienkonten einen Passus in ihren Antrag aufzunehmen. Er könnte heißen: „Die Umsetzung des Studienkonten-Modells darf nur so erfolgen, dass der Datenschutz gewahrt bleibt und ‚gläserne Unis' verhindert werden.“

In diesem Zusammenhang möchte ich Euch auf eine Konferenz zum Thema Datenschutz einstimmen, die von der Bundesarbeitsgemeinschaft „Demokratie und Bürgerrechte“ gemeinsam mit dem PDS-Vorstand vorbereitet wird. Sie soll am Vortag des Einheiz-Marktes 2004 der PDS, also am 2. Oktober in Leipzig stattfinden.

Nun noch ein abschließender Gedanke. Auch ich wurde von Medien gefragt, ob denn Thomas Flierl noch Senator bleiben könne, wenn sein Studienkonten-Modell von seiner eigenen Partei abgelehnt würde. Ich finde schon die Frage absurd. Thomas hat in schwierigen Berliner Zeiten einen guten roten Faden gesponnen.

Das wird sogar von seinen Gegnern neidvoll anerkannt. Ganz zu schweigen von Amtsvorgängern, die zahlreich aus der Berliner Realität geflüchtet sind. Ich jedenfalls möchte Thomas nicht missen. Das sage ich auch ganz egoistisch. Denn immer, wenn wir im Bundestag ein kultur-politisches Problem haben, auf Thomas können wir uns verlassen. Und dafür danke ich Dir hiermit auch mal öffentlich.
 

 

 

4.4.2004
www.petra-pau.de

 

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