Aktuelle Notiz: Karl Marx, der Papst und Gregor

von Petra Pau
Berlin, 12. April 2005

1. 

Am 2. April 2005 starb Papst Johannes Paul II. Er gilt als Person der jüngeren Weltgeschichte. Millionen Menschen aus allen Kontinenten pilgerten nach Rom, um ihn zu ehren. Vielerorts wurde getrauert, vor allem in Polen, dem Heimatland von Karol Wojtyla. Ich nahm am Requiem in Berlin teil. Ich wollte es.

2. 

Gregor Gysi ging weiter. Er schlug vor, eine Berliner Straße nach dem verblichenen Papst zu benennen. Weil dieser eine „moralisch integre Person“ war und „Ungerechtigkeiten scharf kritisiert“ habe. Die örtliche CDU frohlockte flugs und schlug vor, die Karl-Marx-Allee nach Papst Johannes Paul II. um zu benennen.

3. 

Also stellte Gregor klar: „Wer das will, will nicht den verstorbenen Papst ehren, sondern ein kleines mieses ideologisches Süppchen kochen. Wer jemand ehren will, soll nicht einen anderen verdrängen wollen.“ Die Medien würzten das Süppchen. Sie hatten ihr Thema: Karl Marx, der Papst und Gregor.

4. 

Keck war die Taz. Sie erinnerte daran, dass Gregor Gysi dereinst Berlins Frauen-Senator war. Was ein Amt wider den Papst sein müsste. Schließlich habe das Oberhaupt der universalen Kirche aus tiefster katholischer Überzeugung die Frau gelobt, sofern sie dem Manne dient, die Pille meidet und gebärt, was ihr gezeugt wurde.

5. 

Papst Johannes Paul II. war gegen Kriege, gegen den Feldzug der USA im Irak. Und er forderte immer wieder soziale Gerechtigkeit. Armut war für ihn Unrecht, die Unterdrückten waren seine Klientel. Aber die weltweite Armut ist vor allem weiblich. Und selbst hier - im Abendland, wie CDU und CSU betonen - trifft unsoziale Politik vorwiegend Frauen.

6. 

Hinzu kommt: Die katholische Kirche ist kein Hort, in dem selbst bestimmtes Leben gepredigt und praktiziert wird. Die Hierarchie ist klar, die Spielregeln sind streng, der Papst ist unfehlbar. Die „römischen“ Werte sind also mitnichten deckungsgleich mit jenen, die das Grundgesetz unterstellt. Das ist alles bekannt und das ist auch normal.

7. 

Umso eigenartiger sind die Töne, mit denen Kirchen-Vertreter gegen das neue Wertefach an Berliner Schulen kämpfen. Selbst mit dem 9. Gebot katholischer Zählung wird schroff gebrochen. Weil der Staat sich besser um die geistige und kulturelle Basis der Gesellschaft kümmern will? Das darf er, das muss er sogar, allemal im multikulturellen Berlin.

8. 

„Das darf er nicht“, tönt Wolfgang Thierse zurück und schwingt dabei eine dicke Keule. O-Ton des Bundestagspräsidenten in BILD: „Das Zurückdrängen der Religion, der christlichen Kirchen aus dem öffentlichen Bewusstsein ist der einzige nachhaltige ‚Erfolg' der SED. Den Weg sollten wir nicht fortsetzen.“ Au Backe, Wolle!

9. 

Ich bin nicht dagegen, Papst Johannes Paul II. eine Berliner Straße zu widmen. Zumal: In westlichen Bezirken gibt es noch immer Schilder für eifrige Wehrmachts-Offiziere. Parteien, Kirchen, Schulen und andere könnten das ändern - gemeinsam mit Anwohnerinnen und Anwohnern. Das würde sehr streitbar. Aber es könnte praktisch Werte stärken und Schule machen.
 

 

 

12.4.2005
www.petra-pau.de

 

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