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Unter Verdacht

Kolumne, 14. 01. 2006
Von Petra Pau

Bei vielen der neuen Bundesminister weiß man noch nicht so recht, was sie vor- und draufhaben. Gut, bei Gesundheitsministerin Ulla Schmidt ahnt man es. Sie wird noch mehr Gesundheitskosten auf die Kranken abwälzen und das Reform nennen. Oder Heidemarie Wieczorek-Zeul - sie gehörte zum linken Flügel der SPD und nun kämpft sie im Merkel-Kabinett wie vordem bei Rot-Grün um Notgroschen für die Dritte Welt. Andere Kabinettsmitglieder waren bisher weitgehend unbekannt oder ohne erkennbares Profil.

Nur einer legte einen überzeugenden Blitzstart hin: Wolfgang Schäuble (CDU). Binnen weniger Wochen strafte er alle Lügen, die glaubten, schlimmer als unter Otto Schily könne es in der Innenpolitik nicht mehr werden. Doch, es geht. Gewiss, so genannte Folterflüge gab es schon früher. Möglichst unbemerkt und wenn doch, dann aus Versehen und natürlich immer zum Wohle der Zivilisation. Dieser heimlichen Hinterlist seiner Vorgänger begegnet Wolfgang Schäuble mit frappierender Offenheit. Ohne erpresste Informationen könnten seine Geheimdienste „den Betrieb einstellen“. Und das gehe natürlich nicht, droht Schäuble. Kurzum: Folter gehöre zur Geschäftsgrundlage, so wahr ihm Gott helfe.

Viele Medien schienen überrascht und etliche Kommentatoren sogar empört. Dabei hatte Wolfgang Schäuble eigentlich nichts Neues gesagt, jedenfalls nicht grundsätzlich. In der abgelaufenen Legislatur des Bundestages sprach er für die Außenpolitik der Unionsfraktion. Ich erinnere mich noch gut an eine Debatte, in der es auch um den Kampf gegen den Terrorismus ging. Plötzlich wurde es still im Plenarsaal. Selbst die bekannten Laut-Sprecher der SPD und der Grünen taten so, als hätten sie nicht gehört, was Wolfgang Schäuble gerade gefordert hatte. Der Tabu-Bruch war ihnen peinlich oder was auch immer. Denn Wolfgang Schäuble hatte für weltweite Präventiv-Kriege gegen das Böse mit deutscher Beteiligung plädiert. Als Innenminister hegt er ähnliche Pläne. Er will Verdächtige einknasten, auch wenn nichts Konkretes gegen sie vorliegt - sicher ist sicher.

Natürlich ist das wider das Grundgesetz, ebenso wie die Nutzung von Foltergeständnissen. Aber wenn Wolfgang Schäuble spricht, dann klingt das anders als bei Otto Schily. Schily war als Poltergeist bekannt - und für seinen Starrsinn. Schäuble spricht lieber eindringlich, leise und zur Volksseele. „Ich möchte mir nicht vorstellen, wie die Debatte nach einem Terroranschlag auf ein Stadion zur Fußball-Weltmeisterschaft verlaufen würde.“ So mahnte er. Und deshalb fordert er, das Grundgesetz zu ändern, damit die Bundeswehr endlich auch im Innern eingesetzt werden kann. „Endlich“, denn das ist ein uralter Hut.

Die Unions-Forderung nach einer Militarisierung der Innenpolitik steht ehern und sie sucht ständig nach einem neuen Anlass. Das bevorstehende Kicker-Fest ist ein besonders guter. Denn wenn es um die Fußball-Krone und um nationale Gefühle geht, dann werden liberale Grundsätze und Grundgesetze klitzeklein. Schäuble weiß das.

Unlängst meinte ein Kommentator: Neuerdings importiere Europa aus den USA begierig Know-how für den Kampf gegen Bürger- und Menschenrechte. Nun, ganz so schlimm ist es hierzulande noch nicht. Aber wer sich trotz alledem für Bürgerrechte einsetzt, steht für Schäuble & Co. immerhin schon unter dem Verdacht krimineller Naivität.
 

 

 

14.1.2006
www.petra-pau.de

 

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