Engagierte Bürger sind der beste Verfassungsschutz

Datenschutz-Demonstration, Köln, 15. März 2008
Rede von Petra Pau

Liebe Datenfreundinnen und Datenfreunde,
liebe Bürgerrechtlerinnen und Bürgerrechtler,
liebe Verfassungsschützerinnen und Verfassungsschützer,

1. 

Wir sind hier, weil es immer mehr Anschläge gibt: gegen unsere Privatsphäre, gegen unsere Souveränität, gegen unsere Grundrechte.
Das nehmen wir nicht länger unwidersprochen hin.

2. 

Über 30.000 Bürgerinnen und Bürger haben in Karlsruhe beim Bundesverfassungsgericht Klage gegen die Vorratsspeicherung von Kommunikationsdaten eingereicht. Ich gehöre dazu.

3. 

Und so viel ich weiß, ist es das erste Mal in der Geschichte der Bundesrepublik, dass gleich zwei Vizepräsidenten des Bundestages gegen ein Gesetz des Bundestages klagen. Das muss sein und das ist gut so.

4. 

Denn die größten Angriffe gegen verbriefte Grundrechte kommen derzeit nicht von Terroristen, auch nicht von Extremisten, sondern von vermeintlichen Spezialisten für Innere Sicherheit.

5. 

„Datenschutz ist Täterschutz“, heißt es. Das Bundesverfassungsgericht hatte dagegen bereits 1983 klar gestellt: Ohne Datenschutz kann es keine Demokratie geben. Das ist die Dimension, um die es wirklich geht.

6. 

Und die Einbrüche in den Datenschutz werden immer vielfältiger und immer universeller. Die technischen Möglichkeiten wachsen, die Begehrlichkeiten ebenso, von Staats wegen und von privat.

7. 

Deshalb brauchen wir dringend ein neues Datenschutzrecht, das dem 21. Jahrhundert gerecht wird. Dafür demonstriere ich hier und dafür brauchen wir noch viel mehr Mitstreiterinnen und Mitstreiter.

8. 

Deshalb lehnen wir auch das flächendeckende Scannen von Auto-Kennzeichen ab. Wir sind gegen Online-Durchsuchungen von Computern. Und wir sind gegen biometrische Daten auf Ausweisen und in Pässen.

9. 

Ich bin auch dagegen, dass Geheimdienste immer mehr Befugnisse erhalten. Und ich bin dagegen, dass die Bundeswehr immer scheinheiliger und immer öfter eingesetzt wird, übrigens auch im Innern.

10. 

Zur Erinnerung: Beim G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm war sie vor Ort, mit Soldaten und Gerät. Ein Tornado stürzte sogar im Tiefflug über ein Camp mit G8-Kritikern. Das alles war eindeutig grundgesetzwidrig.

11. 

Das Grundgesetz gestattet Bundeswehreinsätze im Inneren nämlich nur in klar definierten Ausnahmen - bei außerordentlichen Naturkatastrophen und bei besonders schweren Unglücksfällen.

12. 

Und nun frage ich Sie: Wenn der G8-Gipfel eine außerordentliche Katastrophe oder ein besonders schweres Unglück war, warum hat die Bundesregierung das ganze Elend überhaupt ins Land geholt?

13. 

Grundsätzlich erleben wir, wie ein demokratisch verfasster Rechtsstaat Stück für Stück zu einem präventiven Sicherheitsstaat umgebaut wird, andere sprechen vom Überwachungsstaat. Das ist nicht hinnehmbar.

14. 

Denn ein Staat, der alle Bürgerinnen und Bürger unter Generalverdacht stellt, ist kein Rechtsstaat. Und ein Staat, der mehr und mehr Bürgerinnen und Bürger überwacht, ist nicht demokratisch. Darum geht es!

15. 

Ich komme aus der DDR und ich habe ihren Untergang erlebt. Der Staat der DDR wollte allmächtig und zunehmend allwissend sein, natürlich immer nur zum Wohle seiner Bürgerinnen und Bürger.

16. 

Je mehr die Bürgerinnen und Bürger aber mit der Politik nicht mehr einverstanden waren, desto allwissender wollte der DDR-Staat sein. Nun erlebe ich in der Bundesrepublik ähnliche Tendenzen.

17. 

Wenn das vereinigte Deutschland aus alledem wirklich etwas lernen will, dann doch: So geht es nicht! Deshalb bin ich froh, dass sich endlich eine neue Bürgerrechtsbewegung formiert, in Berlin, in Köln und bundesweit.

18. 

Etliche Abgeordnete sind auf eurer Seite, ich auch. Aber der beste Verfassungsschutz und unser bester Rückhalt waren und sind noch immer engagierte Bürgerinnen und Bürger. Leute, wie ihr. Danke!
 

 

 

15.3.2008
www.petra-pau.de

 

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