20 Jahre Einheit - was ist gelungen, was nicht?

Beitrag von Petra Pau im Disput mit Hugo Müller-Vogg
SUPER illu 37/2010

9. September 2010

Der 3. Oktober 1990 begann mit einem Aufschrei, genauer mit Lebenszeichen. Zwei neue Bundesbürger erblickten das Licht im neuen Deutschland. Einer in Frankfurt am Main, der andere in Frankfurt/Oder. Die Eltern nannten sie euphorisch nach dem Einheits-Kanzler, Helmuth Westphal hie, Helmuth Ostborn da. Deren Leben verlief wie das eineiiger Zwillinge. Schule, Studium und ein emsiges Arbeitsleben als gefragte Elektro-Ingenieure. Sie hatten Glück. Später wurden beide Rentner. Urplötzlich erinnert ein amtlicher Bescheid Helmuth Ostborn daran, was er war und blieb: Ein Ossi! Er musste für weniger Geld länger arbeiten als Helmuth Westphal und er bekommt deshalb auch weniger Rente. Im Jahr 67 nach der „deutschen Einheit“!

„Jetzt wächst zusammen, was zusammen gehört“. Wer kennt dieses Zitat nicht? Aber das hatte Willy Brandt so nie gesagt. Er mahnte vielmehr: Nur „mit Takt und Respekt vor dem Selbstwertgefühl der bisher von uns getrennten Landsleute wird es möglich sein, dass ohne entstellende Narben zusammen wächst, was zusammengehört.“ Offenbar kannte er seine Pappenheimer.

Eine aktuelle Umfrage meint: Elf Prozent der Befragten in den alten Bundesländern wünschen sich die Mauer zurück - weit mehr als im Osten. Sage bitte niemand: typisch Wessis. Die spannendere Frage ist doch: Welche spürbaren Vorteile haben Normal-Bürgerinnen und -Bürger der Alt-BRD vom Beitritt der DDR? Keine! Hätte man damals gesagt: Die DDR ist eingestürzt, aber es gibt dennoch Modernes, das wir übernehmen sollten ...

Aber das darf noch immer nicht sein. „Länger gemeinsames Lernen“ wird als Import aus Finnland verbrämt. Kindergärten für alle ist plötzlich eine Erfindung der CDU. Auch Polikliniken werden nur durch Hintertüren geduldet, und so weiter. „Ossis“ mögen sich darob „genarbt“ fühlen. Aber nicht minder getäuscht und geprellt wurden unsere „Wessis“. Neue Verfassung? Abgelehnt! Soziale Gerechtigkeit? Verworfen! Militärische Abrüstung? Verhindert!

Die deutsche Einheit anno 1990 war rasante Weltpolitik. Das ist nicht klein zu reden. Sie hätte sogar groß werden können. Aber sie ist keine Gloria-Story. Im Gegenteil. Allen Sonntagsreden zum Trotz. Schade!
 

 

 

12.9.2010
www.petra-pau.de

 

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