Für eine neue Bewegung „18. März“

Berlin, 18. März 2013, Gedenken an den „18. März“
Rede von Petra Pau auf dem „Platz des 18. März“

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1. 

Wir gedenken hier alljährlich der revolutionären Erhebungen anno 1848/49 - jung und alt, parteiübergreifend, bundesweit und international.
 
Aber wir gedenken fein, aber klein, wenn wir mal von dem gut besuchten revolutionären Stadtgang durch Berlin 1998 absehen.
 
Lange war ich optimistisch, dass dieser 18. März ein offizieller Gedenktag wird. Aber irgendwelche Kleingeister im Bundestag haben es blockiert.
 
Wir werden uns dennoch nicht klein kriegen lassen. Der „18. März“ verdient endlich mehr offizielle und öffentliche Aufmerksamkeit.
 
Allerdings: Ohne engagierte Leute, wie Volker Schröder, nützt kein Gedenktag. Wir brauchen auch eine neue Bewegung „18. März“.

2. 

1848 ging es um Bürgerrechte und Demokratie.
Es gab damals Durchbrüche und es gab damals Rückschläge.
 
Eine kleine Geschichte will ich erzählen.
Sie hat mit dem Reichstag zu tun. Er birgt viel Geschichte.
 
Der Bau von Paul Wallot wurde 1894 eingeweiht, also erst fast ein halbes Jahrhundert nach der 1848er Revolution.
 
Er sollte damals am Westgiebel des Gebäudes die uns allen bekannte Inschrift haben: "Dem Deutschen Volke!"
 
Die trug er aber nicht. Der Kaiser hatte interveniert und verfügt:
„Das Parlament hat mir zu dienen und nicht dem Volke!“
 
Damals war „Dem Deutschen Volke“ noch eine progressive, demokratische Forderung. Heute ist sie es nicht mehr.
 
Deshalb kontert im nördlichen Innenhof ein Kunstwerk: „Der Bevölkerung!“ Es meint damit alle Bürgerinnen und Bürger.

3. 

Unser Gedenken bleibt pures Andenken, wenn wir nicht die aktuellen Herausforderungen mitdenken. Das möchte ich anregen.
 
Unsere Demokratie ist beileibe nicht so gefestigt, wie in Festreden gelobt wird. Im Gegenteil, sie steht auf sehr wackligen Füßen.
 
Auch Angriffe auf verbriefte Bürgerrechte kennen wir alle, egal ob es um das Versammlungsrecht geht, den Datenschutz oder die Meinungsfreiheit.
 
Der Staat ist immer dabei. Dabei sind Bürgerrechte vor allem Schutzrechte gegen ihn. Wir sollten das Grundgesetz hoch halten.

4. 

Aber ich will noch einen weiterführenden Gedanken einführen. Einen, der Geschichte und Gegenwart verbindet.
 
Die 1848er Revolution hatte etwas mit der industriellen Revolution zu tun. Die Zeit drängte, aus der überkommenen Feudalordnung auszubrechen.
 
Ich bin überzeugt, wir agieren inmitten einer ähnlichen Zensur.
Nur, dass es heute nicht um Dampfmaschine und Telegraf geht.
 
Die neuen Stichworte heißen Solarwende und Internet.
Und beide haben sehr viel mit Bürgerechten und Demokratie zu tun.
 
Die Solarwende muss allen Bürgerinnen und Bürgern dienen.
Und sie kann die Macht der Monopole, der aktuellen Kaiser brechen.
 
Auch die Freiheit im Internet muss für alle gelten, nicht nur für jene, die es sich materiell leisten können.
 
Beide Themen sind hart umkämpft. Die Akteure und die Konfrontationen heute sind andere als 1848. Aber es gibt sie.

5. 

Revolutionen sind grundlegende Umwälzungen, damals wie heute.
Das meine ich mit einer neuen „Bewegung 18. März“.
 
Ich wünsche mir, dass wir die akuten Probleme der Zeit nicht als „so ist es“ beklagen, sondern als aktiv revolutionär begreifen.
 
Das sage ich anstachelnd auch an die jungen Sängerinnen und Sänger, die uns seit Jahren hier am „Platz des 18. März“ ermutigen.
 
Zu alledem brauchen wir mehr Demokratie. Viel mehr, als 1848 gefordert wurde. Auch daran könnten wir denken, wenn wir gedenken.
 
Noch Mal: Wir brauchen eine neue Bewegung „18. März“. Soziale Gerechtigkeit und Demokratie gehören zusammen, mehr denn je!
 
Die Helden von 1848 bleiben geehrt, aber ungehört, wenn wir sie nicht aktuell aufheben. Die Demokratie ist in Gefahr. Verteidigen wir sie!
 

 

 

18.3.2013
www.petra-pau.de

 

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