Keine Chance gegen NSA?

Interview mit Petra Pau im „neuen deutschland“ am 3. August 2013

Petra Pau sieht in der Schnüffelei der US-Geheimdienste einen Generalangriff auf Bürgerrechte

nd: Sie sehen in der NSA-Affäre einen Generalangriff auf Bürgerrechte. Vor wem muss der Bürger sich vor allem schützen? Vor amerikanischen Geheimdiensten oder vor der Bundesregierung, die seine Rechte nicht schützt?

Pau: Das Problem geht weit über diese Dimension hinaus. Der Generalangriff auf den demokratischen Rechtsstaat, wie ihn das Grundgesetz definiert, kommt aus verschiedenen Richtungen, die Allmacht der Finanzmärkte gehört ebenso dazu wie der Einbruch in den Datenschutz. Der Kern des Problems liegt in der Politik, die das Grundgesetz und europäische Grundrechte missachtet.

Und wo beginnt das Problem um die Spähaffäre? Mit den Anschlägen vom 11. September 2001 in New York oder schon früher?

Das Problem begann viel früher, wurde aber nach dem 11. September 2001 forciert. Nach einer interessanten Übersicht wurden in der Geschichte des Bundestages über 50 Gesetze verabschiedet, die Grundrechte negiert haben und damit verfassungswidrig waren. Daran beteiligt war am häufigsten die SPD, vor der CDU/CSU. Der LINKEN wird übrigens eine saubere Weste bescheinigt.

Keine Kunst, sie war ja auch an keiner Regierung beteiligt.

Aber sie hat auch keinem Gesetz zugestimmt, das gegen geltende Grundrechte verstößt.

Ist der Bundesregierung wenigstens mindere Schuld zuzugestehen, weil sie nicht Urheber der NSA-Spionage ist?

Nein! Der lockere Umgang mit Grundrechten ist nahezu allen Bundesregierungen eigen, und wie tief die deutschen Geheimdienste verstrickt sind, muss sich erst noch zeigen. Vieles spricht für eine tiefe Kumpanei mit den US- und weiteren Geheimdiensten.

Der Vorsitzende Ihrer Partei, Bernd Riexinger, hat die Verstaatlichung der Datenautobahnen vorgeschlagen. Sollte man wirklich dem Staat die Kontrolle überlassen, der doch Auftraggeber der Geheimdienste ist?

Das Internet hat viel mit Datenschutz zu tun, aber nicht nur; es geht im viel weiteren Sinne auch um Daseinsvorsorge und Kultur. Also um ein Allgemeingut, das nach aller Erfahrung bei privaten Vermarktern nicht gut aufgehoben ist. Aber diese Frage führt weit über den NSA-Skandal hinaus und bedarf sicher noch grundlegenderer Überlegungen. Geheimdienste jedenfalls sind ihrem Wesen nach intransparent, unkontrollierbar und damit Fremdkörper in einer lebendigen Demokratie.

Sie selbst haben einen Demokratiegipfel angeregt?

Kleine Klarstellung: Ich habe einen kompetenten Demokratiegipfel vorgeschlagen. Ich meine damit nicht nur die Parteien. Dazu gehören auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Bürgerinitiativen mit Sachverstand, zum Beispiel „Mehr Demokratie“.

Nur Staaten könnten ja auch bindende Regeln vereinbaren.

Es liegt auf der Hand, dass Bürgerrechte wie der Datenschutz nicht mehr allein nationalstaatlich zu verteidigen sind. Aber zur Analyse muss man nicht gleich eine internationale Konferenz oder einen Weltgipfel einberufen. Die Aufarbeitung beginnt im eigenen Land. In diesem Sinne hatte ich bereits eine Enquetekommission des Bundestages zur Wiederbelebung der Demokratie angeregt.

Fragen: Uwe Kalbe

 

 

3.8.2013
www.petra-pau.de

 

Seitenanfang

 

 

Lesbares

 

Startseite