Wofür singen wir am 18. März?

Gedenken an den 18. März
18.03.2015, „Initiative 18. März“, Berlin, Brandenburger Tor
Rede von Petra Pau

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1. 

Gregor Gysi hatte es fest zugesagt. Er wollte hier sprechen. Aber gleich beginnt im Plenum des Bundestages eine Debatte über die Wahl der letzten Volkskammer der DDR 1990.
 
Gregor Gysi ist einer der ganz wenigen, die damals dabei waren und noch heute dabei sind. Ergo musste er hier absagen, weil er im Plenum reden wird. Ich bin gerne für ihn eingesprungen.
 
Und ich hoffe sehr, dass Gregor Gysi meine Bitte beherzigt und im Bundestag nicht nur über 1989 redet. Denn der 18. März sollte auch mit Blick auf 1848 endlich in Deutschland ein offizieller Gedenktag für Bürgerrechte und Demokratie werden.
 
Dafür werbe ich erneut!

2. 

Die Revolution anno 1848 rüttelte in Berlin an längst überholten Herrschaftsverhältnissen. Aber nicht nur in Berlin. In vielen deutschen Landen standen Bürgerinnen und Bürger für ihre Rechte auf.
 
Und nicht nur dort: In zahlreichen europäischen Ländern wurde der Funke für mehr Demokratie gezündet. Von Menschen mit Mut und Weitsicht. Viele wurden dafür mit dem Tod bestraft.
 
Sie hatten es gewagt gegen die herrschenden Verhältnisse ein Tor aufzustoßen, für Bürgerrechte und Demokratie. Der Weg dahin blieb lang, Total-Rückschläge, wie in der Nazi-Zeit, inklusive.
 
Auch daran ist heute zu erinnern. Sonst werden wir den Ansprüchen der März-Gefallenen nicht gerecht. Bürgerrechte und Demokratie müssen immer wieder neu erkämpft werden.
 
Das sind meine Lehren aus der Vergangenheit und meine Botschaft für die Zukunft.

3. 

Wir singen heute wieder frohgemut ein Lied aus jener Zeit:
„Die Gedanken sind frei. Wer will sie erraten. Kein Mensch kann sie wissen, kein Jäger erschießen. Es bleibe dabei: Die Gedanken sind frei!“
 
Wirklich?
 
Spätestens seit den Enthüllungen von Edward Snowden über die Praktiken der NSA und weiterer Geheimdienste wissen wir es besser.
Die Gedanken sind nicht mehr frei.
 
Deshalb bleibe ich dabei: Das Gedenken an das Vergangene bleibt brotlos, wenn es nicht zugleich den bürgerrechtlichen Anspruch an die Zukunft aufrüttelt. Das sollten wir tun, am 18. März und jeden Tag.

4. 

och deutlicher gesagt:
 
Westliche Republiken haben Standards für Bürgerrechte und Demokratie proklamiert, die historisch beispielhaft waren. Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland spricht dafür.
 
Aber bei aller Unzulänglichkeit - die Bundesrepublik Deutschland ist in Fragen direkter Demokratie noch immer ein EU-Entwicklungsland - gibt es aktuell drei Generalangriffe auf die Demokratie und auf Bürgerrechte.
 
•  Die Übermacht der Finanzwelt - selbst über Staaten und Parlamente;
•  die Totalüberwachung aller, weltweit, durch den NSA-Komplex und
•  die Entmachtung jedweder Demokratie durch TTIP & Co.

5. 

Wir können zu all diesen Themen widersprüchlicher Meinung sein.
Und wir werden zugleich gemeinsam das "Bürgerlied" singen.
Also auch:
 
Aber ob wir Neues bauen
Oder Altes nur verdauen
Wie das Gras verdaut die Kuh
Ob wir in der Welt was schaffen
Oder nur die Welt begaffen
Das tut, das tut was dazu.
 

Danke!

 

 

18.3.2015
www.petra-pau.de

 

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