Hass vernichtet

Eröffnung der Ausstellung von Irmela Mensah-Schramm in der Urania Berlin am 20. November 2017
Rede von Petra Pau

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Liebe Irmela Mensah-Schramm,

sehr geehrte Damen und Herren,

„Hass vernichtet“ heißt die Ausstellung, die wir hier heute eröffnen und die eindrucksvoll und schonungslos zeigt, warum Irmela Mensah-Schramms unermüdlicher Einsatz auch nach über 30 Jahren wichtiger ist denn je. Für ihr mutiges, jahrzehntelanges Engagement möchte ich ihr heute von Herzen danken.

„Hass vernichtet“ - eine kurze, prägnante Aussage, deren Bedeutung jedoch nicht schwerwiegender sein könnte. Hass vernichtet Menschenleben, Familien und Gesellschaften. Dabei hat der Hass so unendlich viele Gesichter und Ausdrucksformen.

Liebe Irmela Mensah-Schramm, Sie dokumentieren und beseitigen seit Jahren unermüdlich rechte Graffitis und Aufkleber, weil Sie eben diesen Hass vernichten möchten.

Und wenn wir einen Blick auf die Statistiken zu rechter Gewalt werfen, dann sehen wir, wie extrem notwendig dieser Einsatz aktuell ist. Die Zahlen sind in den letzten Jahren immer weiter gestiegen und verbleiben momentan auf einem erschreckend hohen Niveau. Die Strafverfolgungsbehörden haben im Jahr 2016 rund 22.500 rechtsextreme Straftaten registriert. Dazu gehören 1.600 Gewalttate. Mit anderen Worten: Täglich werden mindestens fünf rechte Gewalttaten verübt. Ausgangspunkt rechter Ideologien und Gewaltausübung ist dabei oft die öffentliche Propaganda. Rechten diesen öffentlichen Raum für Ihre Menschenfeindlichkeit zu entziehen, ist daher ein aktiver Kampf auch gegen rechte Übergriffe und Mobilisierung.

Wir alle fragen uns, wie man wachsender rechter Gewalt und grassierender gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit entgegentreten kann, und oft fehlen die Antworten. Irmela Mensah-Schramm hat für sich eine Antwort gefunden - und zeigt seit 30 Jahren Widerstand. Auch von Bedrohungen, Anfeindungen oder Strafanzeigen haben Sie sich nicht abschrecken lassen. Ganz im Gegenteil - Ihre Ausstellung wurde deutschlandweit über 450 Mal gezeigt und Sie besuchen immer wieder zahlreiche Schulen und andere Einrichtungen, um Ihre Erfahrungen in Workshops an junge Leute weiterzugeben und sie zu ermutigen, selbst auf ihre Weise aktiv zu werden.

Wenn man den Namen Irmela Mensah-Schramm googelt, dann findet man dort hunderte Einträge über Ihr Engagement, meist überschrieben mit dem Begriff "Polit-Putze". Unter dieser Zuschreibung sind Sie auch in den sozialen Medien zu einem Hit, einem Vorbild für junge Leute geworden. Dabei klingt das Wort „putzen“ in diesem Zusammenhang - vor dem Hintergrund was Sie täglich leisten und welchen Widrigkeiten Sie trotzen mussten - eher harmlos. Vielmehr sind Sie eine (Haushälterin der Demokratie?) Verfechterin für Demokratie, eine mutige Antifaschistin und das Rückgrat einer antirassistischen Zivilgesellschaft.

Dabei geht ihr Engagement weit über das Entfernen von rechter Propaganda hinaus. Als Sie im Juni dieses Jahres in Berlin einen Aufmarsch der Identitären erfolgreich mit blockiert hat, wurde das Video davon im Netz tausendfach geteilt; darunter zahlreiche Kommentare wie „so cool will ich später auf jeden Fall auch sein.“ Ihr friedlicher Protest an der Seite von jungen Antifaschistinnen und Antifaschisten, nicht nur an diesem Tag, hat sie zum Vorbild und Ikone des Kampfes gegen rechts für eine junge Generation gemacht, die beeindruckt ist von der Unermüdlichkeit ihres Engagements, das ihnen als Inspiration gilt. Irmela Mensah-Schramm macht demokratischen Widerstand sichtbar und zeigt auf, dass dieser auf so vielen verschiedenen Wegen für alle möglich ist. Dass sie dabei so viele junge Leute erreicht und zu politischem Engagement ermuntert, ist bewundernswert.

„Merke! Hass weg“ haben Sie im letzten Jahr aus einem „Merkel muss weg“-Graffiti gemacht und mussten sich deshalb, dank einer übereifrigen Staatsanwältin, vor Gericht verantworten. Dabei sollten sich doch noch so viel mehr Leute auf so kreative Weise dafür einsetzten, dass der Hass endlich verschwindet. Ich jedenfalls werde beim Kampf gegen rechts auch weiterhin solidarisch an Ihrer Seite stehen, liebe Irmela Mensah-Schramm. Dort, wo das demokratische, vielfältige Zusammenleben angegriffen wird, wo Gleichbehandlung und Diskriminierungsschutz in Frage gestellt werden, wo Sicherheitsbehörden, Medien und Politik noch nicht genug sensibilisiert sind, da sollten wir genauer hinsehen und rechter Propaganda und Gewalt gemeinsam etwas entgegensetzen.

„Die Ereignisse von 1933 bis 1945 hätten spätestens 1928 bekämpft werden müssen. Später war es zu spät. Man darf nicht warten, bis der Freiheitskampf Landesverrat genannt wird. Man darf nicht warten, bis aus dem Schneeball eine Lawine geworden ist. Man muß den rollenden Schneeball zertreten. Die Lawine hält keiner mehr auf. Sie ruht erst, wenn sie alles unter sich begraben hat“, hatte Erich Kästner 1958 in einer denkwürdigen Rede gesagt. Und das gilt auch heute noch. Gegen alle Formen von rechtsextremer Ideologie, Antisemitismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit müssen wir entschieden zusammenstehen.
 
 

 

 

20.11.2017
www.petra-pau.de

 

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