Was ist schlimmer: AfD oder NPD

vorgesehener Beitrag von Petra Pau für den Rundbrief Heft 2-2017 der BAG Antifa der LINKEN
Berlin, 29. November 2017

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Ich wäre auf diese Frage nicht gekommen. Was ist eigentlich schlimmer: eine AfD-Fraktion im Bundestag oder eine NPD-Fraktion? Natürlich die NPD, fand ich, weil naheliegend. Sie ist eine ausgewiesene und militante Nazi-Partei.
So weit, so scheinbar klar, sagte mir der Fragesteller. Aber gucken wir mal, was da auf dem Ticket der AfD nun auch Sitz und Stimme im Bundestag hat.
Ja klar, sag ich: Darunter sind Leugner des Holocaust, Verfechter der Wehrmacht und Kämpfer fürs Deutsch-Nationale. Da gibt es viele Schnittstellen mit der NPD und weiteren Rechtsextremisten.

Die AfD im Bundestag sei dennoch schlimmer, meinte er. Die NPD marschiert auf, mit Glatzen und Stiefel und dumpf. Sie ruft „Sieg Heil“ und macht kein Hehl daraus, was sie vorhat. Bei der AfD sei das verzwickter, sagt er, und deswegen gefährlicher. Sie ist keine Nazi-Partei, schlimmstenfalls deutsch-national, wider die EU und völkisch-borniert. Parole: Das wird man doch mal sagen dürfen.

Ja, sage ich. Dank AfD darf man wieder sagen, dass das Gedenken an die Opfer des Holocaust einer Schande gleichkomme, und dass die Kriege der Wehrmacht neu-deutschen Stolz begründen mögen. Und die NPD frohlockt.
Wohl wahr, sagt mein Fragesteller, aber das Problem ist viel schlimmer, weshalb er ja sage, 13% für die NPD wären übel, 13% für die AfD sind übler. Eine höchst gewagte These, fand ich. Den Einwand habe er erwartet, sagte er, und verwies auf die Zusammensetzung der AfD-Fraktion: Viele sind Anwälte und Richter, Polizisten oder deren Ausbilder, Lehrer und Wissenschaftler, oftmals Beamtinnen und Beamten. Also sogenannte Staatsdiener, die der Demokratie und dem Grundgesetz verpflichtet seien und nun beides von rechts in Frage stellen. Obendrein Leute, die mitnichten sozial verunsichert sind.
Vor Jahresfrist gab es eine Studie über AfD-Anhänger in Sachsen. Die größte Zustimmung gab es demnach unter Beamtinnen und Beamten, weit höher, als bei Arbeiter und Arbeitslosen. Kurzum, sagte er: Das AfD-Ergebnis war kein Rechtsdraußen-Putsch, sondern ein demokratisch legitimierter Angriff aus der Mitte der Gesellschaft, und deshalb gefährlicher.

„Die Republik rückt nach rechts“, hieß es nunmehr nach der Wahl. Der Bundestag auch. Dies hatte sich übrigens bereits bei den Wahlen 2013 abgezeichnet. Dass es in der abgelaufenen Legislatur dennoch im %#132;Hohen Haus“ zahlenmäßig eine Mitte-Links-Mehrheit gab, war nur der 5-Prozentklausel geschuldet. AfD und FDP wurden seinerzeit knapp drunter gewählt und blieben also draußen. Aber die gesellschaftliche Stimmung war bereits nach Mitte-Rechts gekippt. Hinzu kommt: Zwar hatte Mitte-Links im Bundestag noch immer eine knappe Mehrheit, ein politisches Mitte-Links-Projekt indes gab es nicht. Gewiss, es gab Gesprächsrunden, in denen Mitglieder der SPD, der LINKEN und der Grünen Schnittmengen ausloteten und mögliche Vorhaben sondierten. Aber das waren Hobby-Veranstaltungen, die mit den offiziellen Linien dieser drei Parteien nichts zu tun hatten. Es darf bezweifelt werden, ob sich dieses Manko nunmehr auflösen lässt. Auch, wenn die SPD plötzlich signalisiert, dass sie eine Zusammenarbeit mit der LINKEN im Bund nicht mehr prinzipiell ausschließt. Kommt es zu einer Jamaika-Koalition, so würden Bündnis 90/Die Grünen Teil eines Mitte-Rechts-Bündnisses mit der CDU/CSU und der FDP.

Gleichwohl bleibt die Frage, was ein Mitte-Links-Bündnis inhaltlich einen sollte, um mittelfristig erfolgreicher zu sein, als Mitte Rechts? Natürlich, klare Kante gegen Rassismus sowie die Verteidigung von Bürgerrechten und Demokratie. Aber das allein dürfte nicht reichen. Naheliegend finde ich nach wie vor die Überlegungen und Warnungen von Prof. Heitmeyer & Team. Zehn Jahre lang führten sie eine Langzeitstudie über „Deutsche Zustände“. Am 11.11.2011 hatten sie ihr Fazit präsentiert. Absolute Kurzfassung: Die gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit nimmt zu, ebenso die Akzeptanz von Gewalt als Politikersatz. Genau das erleben wir seit längerem mit PEGIDA und anderen IDA-Bewegungen, parlamentarisch flankiert durch die AfD. Heitmeyer hatte auch Ursachen benannt: Das Soziale werde ökonomisiert, die Demokratie entleert. Anders gesagt. Die neoliberale Politik von Union und SPD der letzten 20 Jahre habe letztlich rechte Aufwinde befeuert. Folglich müsste Mitte-Links auch dort mit dem Löschen ansetzen.

„Sagen wir doch immer“, höre ich nun manche LINKE rufen. Das mag ja sein. Aber es sind oft dieselben, die einen Kampf „wir gegen den Rest der Welt“ führen. Ein Mitte-Links-Projekt ist so nicht zu haben. Wie aber dann? Das ist eine der drängenden Denkaufgaben für DIE LINKE. nach der Wahl. Denn eine historische Erfahrung sollte bei alledem nicht ausgeblendet werden: Die Nazis kamen 1933 nicht an die Macht, weil die NSDAP so stark war, sondern weil die Demokraten zu zerstritten waren.
 
 

 

 

29.11.2017
www.petra-pau.de

 

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