Aktuelle Notiz: Die Hohmann's und die CDU

von Petra Pau
Berlin, 11. November 2003

Die CDU hat ein Problem, ein altes. Aktuell heißt es Hohmann. Er sitzt im Bundestag und hat in einer Rede in Fulda suggeriert, wie ich finde, man könne auch die Juden als „Tätervolk“ bezeichnen, weil Juden während der Oktoberrevolution 1917 in Russland an Morden beteiligt waren. Die Rede wurde publik, sie sorgte für Schlagzeilen und sie brachte die CDU-Führung in Erklärungsnot.

Die handelte prompt. Die Partei- und Fraktionsvorsitzende Angela Merkel ließ Hohmann rügen und den Gescholtenen aus dem Innenausschuss des Bundestages in den Umweltschutz versetzen. Auch CSU-Chef Stoiber wurde drakonisch: Hohmann stehe „jetzt unter schärfster Beobachtung und strengster Bewährung“.

CDU-Generalsekretär Meyer ließ tiefer blicken. Die Post in der Parteizentrale häufe sich und es stehe fifty-fifty, sagte er: „Die einen schreiben, sie verlassen die CDU, falls Hohmann ausgeschlossen werde, die anderen drohen mit Austritt, wenn Hohmann nicht gehen müsse.“ Das mühsam bemühte Bild vom „Einzeldenker“ bröckelt. Es gibt viele Hohmanns in der CDU und nicht nur da.

„Es war ein ganz entscheidender Fehler und ein falsches Signal, dass Hohmann nicht sofort aus der Fraktion und der Partei ausgeschlossen wurde. Schuld ist daran meines Erachtens, dass Frau Merkel Angst hat, Wählerstimmen in der Mitte - nicht am rechten Rand - zu verlieren. Und nicht nur Wählerstimmen, sondern auch Zustimmung in der Mitte der eigenen Partei“. Das meint Prof. Wolfgang Wippermann, Freie Universität Berlin.

Vor Jahresfrist habe ich für die PDS eine Studie vorgestellt. Ihr Autor ist Dr. Gerhard Wiegel von der Uni Marburg. Ihr Titel: „Die Union und der rechte Rand - zur Strategie der CDU/CSU-Fraktion im Umgang mit Parteien der extremen Rechten.“ Sie belegt: Leute, wie Hohmann, gehören zum Selbstverständnis der CDU/CSU - von je her. Sie sind nicht die Ausnahme von der Regel, sie bilden einen gewollten Flügel beider Parteien.

„Rechts neben der CSU dürfe es keine demokratische Partei geben.“ Das ist ein überliefertes Credo von Franz Joseph Strauß. Daran halten sich die „Schwester-Parteien“ bis heute, wobei das Attribut „demokratisch“ ebenso häufig im braunen Nebel entschwindet, wie andere Verfassungs-Gebote. Vor zwei Jahren bezeichnete Norbert Geis Schwule als „abartig und widernatürlich“. Mit derselben Begründung wurden Schwule von den Nazis ermordet.

Davon distanziert sich die CDU natürlich, selbst ihr „Arbeitskreis Konservativer Christen“ (http://www.a-k-c.de). „Dem christlichen Gebot folgend lehnen wir jede Gewalt ab: gleichgültig, ob sie von In- oder Ausländern, von einzelnen Personen oder von Regierungen ausgeübt wird“, heißt es auf deren web-Seite. Daneben prangt ein werbendes Zitat: „In Deutschland sind die Deutschen so dünn gesät, daß es nötig ist, daß sich diese wenigen kennen lernen.“ Wer weitersucht, findet einen empörten Brief an die Berliner CDU, weil diese Schwule und Lesben aufgenommen habe.

Geis ist Mitglied der CSU. Sein Aufsatz über die „Perversion der Sexualität“ wurde 2001 von der Frankfurter Rundschau dokumentiert. Geis kandidierte erneut für den Bundestag und agiert weiter unbehelligt für die CDU/CSU-Fraktion. Wie jahrelang Alfred Dregger, dessen Nachfolger Martin Hohmann wurde, und nun auch der Sachse Henry Nitzsche. Der hatte sich vor einer rechten Burschenschaft mit der Klage zum Liebkind geredet: immer mehr Berliner Taxi-Fahrer seien Muselmanen.

Zu grobschlächtig, weshalb auch er in die Medien geriet und um „Entschuldigung“ bat, nachdem ihn die CDU-Spitze zur Mäßigung drängte. Am selben Tag fand im Bundestag eine Debatte über die künftige EU-Verfassung statt. Für die CDU/CSU sprach unter anderem Klaus Hofbauer. Er plädierte dafür, einen klaren Bezug zu Gott in das Verfassungswerk aufzunehmen. Weil: Nur dem Christentum entsprängen europäische Werte, die ein Leben in Gleichheit, Freiheit und Gerechtigkeit ermöglichen würden. Seine Fraktion applaudierte.

Härter traf es den Chef der KSK, einem Spezialkommando der Bundeswehr. Es ist hie und da im Einsatz, auch in Afghanistan, um Frieden und Demokratie zu schaffen. So die offizielle Lesart. „Phönix“, der Politik- und Ereigniskanal der ARD, strahlte jüngst eine Dokumentation über die KSK aus. Das Fazit: Keiner darf wissen, wer sie sind, keiner darf wissen, was sie tun, aber alle KSK-Leute sind Spezialkrieger vor dem Herrn.

Ausgerechnet der KSK-Chef, General Günzel, hat sich beim CDU-Abgeordneten Hohmann für dessen historische Klarsicht und Mut bedankt. Er bat ihn, standhaft zu bleiben und sich nicht durch linke Anwürfe irre machen zu lassen. Sein Lob an den Antisemiten Hohmann schrieb er auf einen offiziellen Kopfbogen der Bundeswehr. Verteidigungsminister Struck (SPD) entließ ihn konsequent und sprach flugs von einem „Verwirrten“, völlig untypisch für die Bundeswehr.

Daraufhin schrieb ich einen Brief an Bundestagspräsident Wolfgang Thierse und an die CDU-Vorsitzende Angela Merkel. Ich warnte davor, die These vom irren „Einzeldenker“ weiter zu hegen und erneut der Legende zu frönen, die Gefahr für Demokratie und Toleranz lauere allein und ausnahmsweise am rechten Rand der Gesellschaft. Sie steckt in der Mitte und von dort wird sie genährt.

Im April 2002 hatten Prof. Dr. Oskar Niedermayer (FU Berlin) und Prof. Dr. Elmar Brähler (Uni Leipzig) Ergebnisse einer repräsentativen Studie zum Thema „Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland“ vorgestellt (http://www.polwiss.fu-berlin.de/osz/dokumente/PDF/BraeNied.pdf). Demnach stimmen 28 Prozent aller Deutschen der These zu: „Auch heute noch ist der Einfluss der Juden zu groß!“ - „Auch heute noch…?“ Ein antisemitisches Stereotyp. Es ist im Westen mit 31 Prozent noch weit tiefer verankert, als im Osten Deutschlands. Nahezu ein Drittel aber ist keine Randgröße.

Am Abend des 9. November war ich in der Jüdischen Gemeinde zu Berlin. Sie hatte zu einer Gedenkveranstaltung an die Nazi-Pogrome von 1938 geladen. „Der Fall des CDU-Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann ist eine neue Qualität“, mahnte der Vorsitzende, Alexander Brenner, soviel „infamer Antisemitismus schüre Angst“. In Frankfurt a. M. verließen Jüdinnen und Juden die Synagoge, weil Ministerpräsident Koch (CDU) Hohmanns Ausfälle relativieren wollte. Tags darauf sann die CDU-Spitze über einen Ausschluss Hohmanns nach. Er sei unbelehrbar, hieß es plötzlich.

Besonders die konservativ eingestellten Mitglieder des CDU-Präsidiums hätten auf Ausschluss gedrängt, erklärte Generalsekretär Mayer. Sie wollen Patriot und Nationalist sein dürfen, sie wollten gegen Einwanderung und Asyl reden können, ohne deshalb in die rechtsextreme Ecke zu geraten. Noch mal Prof. Wippermann: „Ich halte nichts von dem Begriff rechtsextrem. Hohmann zeigt, dass die Demokratie aus der Mitte einer Gesellschaft heraus zerstört werden kann und bedroht ist. Herr Hohmann gehört zu dieser Mitte der Gesellschaft.“

Genau das ist das Problem. Man kann darüber diskutieren, ob die Hohmanns, Geis' und Nitzsches aus ihrem Amt oder Mandat geschasst werden sollten, wie Ex-General Günzel. Ich bin dafür, dass ihnen die gesellschaftliche Legitimität entzogen wird. Das ist ein gravierender Unterschied. So lange aber die „Hohmanns“ als „Entgleiser“ und "atypisch" verniedlicht werden, solange werden Versatz- und Ersatz-Debatten geführt.
 

 

 

11.11.2003
www.petra-pau.de

 

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