Jüdische Vielfalt und mahnende Kunst

Podiumsdiskussion „Der Mythos des jüdischen Berlin“
Grußwort von Petra Pau
Berlin, 9. Juli 2018

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Vergangenen Mittwoch wurde die neue Dauerausstellung „Tuet auf die Pforten“ intern eröffnet. Ich war dabei. Nun bin ich wieder hier und gebeten, ein paar Worte zu sprechen. Das mache ich gerne.

Vor einigen Wochen war ich auf einer gemeinsamen Veranstaltung der Kultusministerkonferenz und des Zentralrats der Juden in Deutschland.

Dabei ging es um eine Empfehlung der unabhängigen Expertenkommission gegen Antisemitismus aus ihrem 1. Bericht an den Bundestag anno 2011.

Man hatte festgestellt, dass viele, allzu viele, allzu wenig über jüdische Geschichte und Kultur hierzulande wissen.

Dies bestätigten Teilnehmer der Veranstaltung, z. B. ein Lehrer.
Schülerinnen und Schüler, so berichtete er, erfahren erstmals etwas über Juden und Jüdisches, wenn sie im Geschichtsunterricht die Jahre 1933 bis 1945 behandeln, also den Holocaust.

Das ist wichtig, aber natürlich zu wenig und hat kaum etwas mit der vielfältigen jüdischen Geschichte und Kultur in Deutschland zu tun.

Um dem abzuhelfen, wurden nun Lehr- und Lernangebote entwickelt und seither online via www.kmk-zentralratderjuden.de angeboten.

Ich wünsche diesem Vorhaben denselben Zuspruch und Erfolg, wie der „Stiftung Neue Synagoge - Centrum Judaicum“ mit der neuen Ausstellung und Veranstaltungen wie heute.

Zu meinem zweiten Gedanken muss ich Ihnen eine Brücke bauen.

Seit 2015 bin ich landauf, landab mit meinem Buch „Gottlose Type - meine unfrisierten Erinnerungen“ zu Lesungen unterwegs.
Es enthält 53 Episoden aus 25 Jahren meiner politischen Arbeit - heitere, überraschende, aber auch ernste.

In einer, sie beginnt im Bundestag und führt in die Schwarzkopf-Stiftung, geht es übrigens um Antisemitismus, genauer: dagegen.

Sie heißt: „Blamagen lauern überall“

Seit der Buchpremiere sind nun auch schon wieder drei Jahre vergangen.
Und so habe ich zudem einen Hefter mit der Aufschrift „Gottlose - ungedruckt“ mit anderthalb Dutzend neuen Geschichten.

Eine ist überschrieben mit: „Mahnende Kunst“.
Und diese werde ich Ihnen abschließend vorlesen:

„Empfange ich im Bundestag Besuch und reicht die Zeit, dann gehen wir durch die Parlamentsgebäude mit Halt bei einigen Kunstwerken. Davon gibt es viele, so viele, dass sie einen Bildband füllen.

Zwei gehören zum Standardprogramm. Beide sind im Reichstagsgebäude. Und beide waren höchst umstritten, insbesondere durch die CDU/CSU.

Da ist der Andachtsraum von Günther Uecker. Er bietet Raum und Beigaben für alle relevanten Religionen, für Christen, für Juden, für Muslime, auch für Hindus. Unions-Politiker forderten ein dominierendes Kreuz, schließlich sei man hier im christlichen Abendland. Uecker lehnte das standhaft ab.

Das zweite Kunstwerk ist im Innenhof des Gebäudes. Es ist von Hans Haake. Er schuf einen Schriftzug „Der Bevölkerung“, in bewusstem Kontrast zu der Giebelinschrift „Dem deutschen Volke“. Die Buchstaben werden umgrünt. Wer wollte, konnte aus seinem Wahlkreis ein Säckchen Erde mitbringen. Und was diese barg und was aus ihr erwächst, soll gedeihen, unbeschnitten, unbegradigt.

Uecker plädiert für einen gleichberechtigten Dialog, interreligiös. Haake mahnt uns Abgeordnete, für alle Bürgerinnen und Bürger da zu sein, multikulturell, und nicht nur für Nationalgermanen.

Lange hatte ich beide Botschaften vor allem als Erinnerung an die mörderische Zeit des Faschismus interpretiert. Aber spätestens seit diese von einem bekannten AfD-Politiker als „Fliegenschiss“ verharmlost wurde, weiß ich: Ueckers und Haakes Mahnungen sind brandaktuell.“
 
 

 

 

9.7.2018
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