Erich Kästner - 1928

Lesung Horst Selbiger, „Verfemt, verfolgt, verraten“
Kultur-Zentrum deutscher Sinti und Roma, Berlin, 12. Juni 2018
Grußwort von Petra Pau

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Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde,
lieber Horst Selbiger,

Du wirst gleich aus deinem jüngsten Buch, deiner Autobiografie „Verfemt, verfolgt, verraten“ lesen.
Premiere hatte sie im März auf der Buchmesse in Leipzig.
Seither reist du landauf, landab zu Lesungen und Gesprächen.
Das ist gut so und vor allem wichtig, finde ich, heute also hier.

Die erste Lesung mit meinem Buch „Gottlose Type -meine unfrisierten Erinnerungen“ hatte ich übrigens auch auf der Messe in Leipzig. Das war 2015. Seither sind 3 Jahre vergangen, Zeit für neue politische Episoden, nicht im Buch gebunden, sondern in meiner Mappe „Gottlose - ungedruckt“.

Eine Geschichte daraus, eine ernste, lese ich zur Einstimmung in diesen Abend. Damit greife ich zugleich eine Mahnung auf, an die ich bereits im Januar erinnert hatte. Damals begingen wir im großen und vollen Saal des Jüdischen Museums Berlin den 90. Geburtstag von Horst Selbiger.

Die Geschichte heißt:

Erich Kästner

Am 10. Mai 1933 ließen die Nazis in 22 deutschen Hochschulstädten Bücher von ihnen nicht genehmen Autoren verbrennen. Zu ihnen gehörten unter anderen Karl Marx, Siegmund Freud, Kurt Tucholsky, Karl von Ossietzky, auch Heinrich Heine. Der hatte schon zu seinen Lebzeiten gewarnt: „Dort, wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen.“ Und so kam es ja auch.

Alljährlich erinnern wir auf dem Berliner Bebel-Platz, wie der damalige Schloss-Platz seit langem heißt, mit einem „Lesen gegen das Vergessen“ an diese Schande. 2018 las ich dazu Passagen von Erich Kästner. Auch seine Bücher landeten 1933 in den Hass-Flammen. Später, 1956, hatte er rückblickend gemahnt:

„Die Ereignisse von 1933 bis 1945 hätten spätestens 1928 bekämpft werden müssen. Später war es zu spät. Man darf nicht warten, bis der Freiheitskampf Landesverrat genannt wird. Man darf nicht warten, bis aus dem Schneeball eine Lawine geworden ist. Man muss den rollenden Schneeball zertreten. Die Lawine hält keiner mehr auf ...“

Wie kam Kästner ausgerechnet auf 1928? Ich weiß es nicht. Und was hat 1928 mit heute zu tun? Ich biete ihnen einige Zitate an und dann fragen sie sich selbst.

•  AfD-Gauland (2017):
„Wir werden Frau Merkel oder wen auch immer jagen!
Und wir werden uns unser Land und unser Volk zurückholen!“
•  AfD-Höcke (2015):
„Ich will, dass Deutschland nicht nur eine tausendjährige Vergangenheit hat.
Ich will, dass Deutschland auch eine tausendjährige Zukunft hat.“
•  AfD-Gauland (2018):
„Wenn man Krieg haben will in diesem Bundestag, dann kann man auch Krieg haben.“
•  AfD-Höcke (2017)
„Wir brauchen nichts anderes als eine erinnerungspolitische Wende um 180-Grad.“
•  AfD-Gauland (2017)
„Wir haben das Recht stolz zu sein, auf Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen.“
•  AfD-Höcke (2017)
„Das große Problem ist, dass Hitler als absolut böse dargestellt wird.“

Schließlich noch dieses:
„Wir gehen in den Reichstag hinein, um uns im Waffenarsenal der Demokratie mit deren eigenen Waffen zu versorgen.
Wir werden Reichstagsabgeordnete, um die Weimarer Gesinnung mit ihrer eigenen Unterstützung lahm zu legen.
Uns ist jedes gesetzliche Mittel recht, den Zustand von heute zu revolutionieren. [...] Wir kommen nicht als Freunde, auch nicht als Neutrale. Wir kommen als Feinde! Wie der Wolf in die Schafherde einbricht, so kommen wir.“

Nein, das letzte Zitat war weder von Gauland, noch von Höcke, wie man an den Bezügen auf den „Reichstag“ und die „Weimarer Gesinnung“ erkennen kann.
Das war Joseph Göbbels, NSDAP - 1928!

Soweit diese gottlose Geschichte und meine politische Erinnerung.

Ich wünsche ihnen nun bei der Lesung mit Horst Selbiger einen nachdenklichen und anregenden Abend.
 
 

 

 

12.6.2018
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