Rot – Grün - Digital

Einführung des neuen Leiters der Geschäftsstelle der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Warschau, Dr. Achim Kessler
Warschau, 17. November 2022

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1. 

Die Rosa-Luxemburg-Stiftung pflegt Verbindungen zu Partnern in 80 Staaten. Zu ihrem internationalen Engagement gehört auch, dass sie in 20 Ländern mit eigenen Abgeboten vor Ort ist.
 
Dabei ragt die Rosa-Luxemburg-Stiftung hier in Warschau unter einem bestimmten Blickwinkel heraus. Wir erinnern uns: Bevor Rosa Luxemburg als engagiert Linke in der deutschen Sozialdemokratie bekannt wurde, war sie in der polnischen Sozialdemokratie aktiv.
 
Wir befunden uns also quasi auf historische Terrain.
Das sei meinen zwei weiteren Gedanken voran gestellt.

2. 

Vor einer Woche haben wir im Bundestag an die Reichspogromnacht der Nazis 1938 erinnert. Sie war der Startschuss für den systematischen Völkermord an Jüdinnen und Juden europaweit, auch als „Holocaust“ oder „Shoa“ bekannt.
 
Betroffen davon waren auch Millionen Polinnen und Polen, das darf man nicht ausblenden. Ja, als Nachkriegs-Generationen tragen für dieses Menschheitsverbrechen keine Verantwortung, wohl aber dafür, dass es sich nie wiederholt. Das bleibt unsere ständige Herausforderung.
 
Ich sage dies, weil die Zahlen antisemitischer Straf- und Gewalttaten in Deutschland steigen. Und weil der Soziologe Prof. Dr. Heitmeyer seit Jahren mahnt: Die gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit nimmt zu, ebenso die Akzeptanz von Gewalt als Politikersatz. Als Ursachen benennt er: Das Soziale wird Privatisiert, die Demokratie entleert, kurzum: die neoliberale Politik. Neoliberale Politik dominiert weltweit.
 
Umso wichtiger sind gesellschaftliche, sind politische Alternativen.
Also bleibt viel zu tun für die Rosa-Luxemburg-Stiftung, daheim, aber auch hier in Warschau.

3. 

Das 21. Jahrhundert unterscheidet sich von den vorherigen durch zwei Herausforderungen:
Erstens, die drohende Klimakatastrophe und Zweitens, die Digitalisierung.
Deshalb möchte ich noch einige Gedanken ausführen, was das aus meiner Sicht für linke Politik im 21. Jahrhundert bedeuten könnte.
 
Von politisch links war erstmals im Zuge der französischen Revolution anno 1789 – 1799 die Rede. Seither ging es Linken stets um die Anerkennung der Gleichheit der Menschen und gegen Unterdrückung.
 
Für Linke gibt es drei Generalthemen: Soziale Gerechtigkeit, Frieden, sowie Bürgerrechte und Demokratie. Das war so und das bleibt so. Gleichwohl gibt es im 21. Jahrhundert historisch neue Herausforderungen:
 
Die drohende Klimakatastrophe; sie ist die größte soziale Herausforderung, droht sie doch die Menschheit und überhaupt alles Leben zu vernichten. Schon deshalb kann die Linke das Thema nicht den Grünen überlassen.
 
Die zweite Herausforderung ist die Digitalisierung. Sie ermöglicht neue Möglichkeiten der Kommunikation, bricht aber z. B. auch mit dem Datenschutz, mithin mit der Demokratie – und ist deshalb nicht nur ein Thema für Piraten.
 
Nun hatte bereits Friedrich Engels betont: neue, bis dato nicht bekannte Produktivkräfte, ermöglichen den Aufstieg in eine neue Gesellschaftsordnung: neue Möglichkeiten pro Energie und neue Möglichkeiten der Kommunikation.
 
Ohne Dampf-, später Elektroenergie, und ohne Telegrafie, später Telefonie, wäre der Übergang vom Feudalismus zum Kapitalismus nicht möglich gewesen. Sie waren die Basis für entsprechende politische Ambitionen.
 
Könnte es nun sein, dass die Solaroption im weiten Sinne und die Digitalisierung miteinander genau ein solches antikapitalistischen Potential bergen? Und entfalten können, vorausgesetzt, es wird politisch entsprechend gefördert?
 
Der Kapitalismus drängt seinem Wesen nach auf Konzentration und Expansion, militärisch inklusive. Maßstab ist der Wert der Produkte. Solar und Digital ermöglichen dezentrale, demokratische Lösungen, wobei der Gebrauchswert maßgebend wird.
 
Es gibt auch in Deutschland Regionen, die bereits energie-autark sind, also unabhängig von großen Konzernen. Zugleich sind weltweit Beispiele bekannt, wonach durch 3D-Drucker sogar Häuser und Autos produziert wurden, also wieder ohne Monopole.
 
Das alles sind noch Ausnahmen von der Regel. Aber sie bergen dezentrale und basis-demokratische Lösungen, mithin materielle antikapitalistische Alternativen. Eine LINKE der Zukunft muss sich dieser Themen annehmen, als Pro-Partei.
 
Natürlich müssen Linke auch künftig sozial engagiert, also Rote sein, aber zugleich Grüne und Piraten. Jede Mahnung, die LINKE müsse sozial und sonst gar nichts sein, ist aus dem vorigen Jahrhundert, finde ich.
 
 
Abschließend wünsche ich der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Warschau und Dr. Achim Kessler viel Erfolg.
 
 

 

 

29.10.2022
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